2008/12/14

Finish? Yes.

Meine letzten Tage in Kampot waren sehr schön. Ich gewann neue Freunde und konnte die Zeit zur Entspannung nutzen. Es war beinahe zu idyllisch. Schnell vergisst man dort was eigentlich in diesem Land vor sich geht.
In das kalte Wasser wird man wieder geschubst, wenn man wie ich seine Heimreise über Poipet antritt. Poipet ist ein Moloch. Glücksspiel, Menschenhandel und Prostitution bestimmen hier die Realitäten. Man kann hier alles kaufen. Von Klamotten über Drogen bis hin zu kleinen Kindern bleibt hier kein Wunsch unerfüllt. Denn hier sitzt man direkt an der Quelle.
Als ich die Mainroad in Poipet entlang laufe begegnet mir ein Engländer, schätzungsweise Anfang Fünfzig. Ob ich ein gutes Hotel kenne, fragt er mich. Ich nenne ihm meins, denn es ist sauber und günstig. Ich deute ihm den Weg. Er ist erfreut, als ich ihm sage, dass die Räume einen Fernseher haben. Morgen fährt er nach Phnom Penh. Ein Freund heiratet dort. Er selbst habe auch letztes Jahr sechs Monate dort gearbeitet, sonst lebt er in Thailand seit ca. zehn Jahren. Nun sei er aber das erste Mal in Poipet. Es sei der schlimmste Ort in dem er in seinem ganzen Leben war. „The world gave already so much money to Cambodia, but nothing happens. Hun Sen puts everything into his own pockets.“, erklärt er nüchtern und fügt im gleichen Atemzug an, dass er keine Ahnung von Khmerküche habe, da er selbst immer in westlichen Restaurants in Phnom Penh gegessen habe.
Und als ich auf seine Frage „Do you really like Cambodia?“ mit „Yes, I do!“ antworte, sagt er: „Really? It's not the right place for me. It's too primitive.“

Später hält eine Frau (westliches Erscheinungsbild) auf ihrem Motorroller neben mir und fragt mich ob ich hier Urlaub mache, sie sei nur neugierig. Ich erkläre ihr alles. Auch, dass ich Poipet nicht wahnsinnig sympathisch finde und frage sie ob sie hier arbeitet. Ja, seit acht Monaten als Voluntärin. Mittlerweile fange sie sogar an diesen Ort zu mögen. Zwei Jahre bleibt sie noch hier. Motivation genug sich hier einzuleben.

Noch einmal kurz zurück nach Kampot. An meinem letzten Tag am Mittwoch war ich zu einer Beerdigungszeremonie im benachbarten Badeort Kep eingeladen. Die Zeremonie dauert sieben Tage, der Mittwoch war der letzte Tag. Es war eine unglaublich entspannte, buddhistische Atmosphäre.
Eine stille und tiefe Freundlichkeit, die gut tut, kam mir entgegen. Ich war der einzige
Fremde. Es gab fabelhaftes Essen, das beste das ich in diesen drei Monaten in Kambodscha hatte. Mir gefällt diese Sterbekultur. Weg von einem schwarz-grauen Lamentierteppich, hin zu einem zuversichtlichem Jenseitsglauben. Einer der Vorzüge des Theravada Buddhismus.


Gestern habe ich Kambodscha verlassen. Ich habe mir einen Traum erfüllt. Es ist wert sich einen Traum zu erfüllen, an ihn zu glauben und ihn zu wagen. Und ich werde wieder zurückkehren, irgendwann.

An dieser Stelle möchte ich Herrn Valkenborghs meine besten Genesungswünsche aussprechen, da er bei meinem Besuch aufgrund der andauernden Probleme mit der Korruption einen Herzinfarkt erlitten hat. Ich wünsche ihm viel Kraft für den weiteren Kampf!



Meine Soziale Identität -

hat im Grunde nur wenig mit mir selbst zu tun. Es unterscheiden sich Selbstbilder, Fremdbilder und Eigenerkenntnisse in solch einem Maße, dass es mir beinahe unmöglich erscheint eine friedvolle Einigung aller dieser, miteinander auf Kriegsfuß stehenden Lager, zu erzielen.
Eine persönliche Hauptschlussfolgerung meiner Recherchereise ist daher, dass ich bei weitem zu unreif bin Entscheidungen zu treffen, die den Willen beinhalten Zustände, Bedingungen und ganze Leben zu verändern. Denn die Aufgaben die meiner Generation in der Zukunft bevorstehen sind so unglaublich gewaltig, verantwortungsfordernd und beispiellos, dass sie real nicht zu bewältigen sind. Denn für die Anforderungen die an uns gestellt sind, gibt es bisher noch keine Werkzeuge. Unsere Aufgaben sind von ihrer Art her nicht zu vergleichen mit beispielsweise der deutschen Nachkriegsgeneration und ihrer gewaltigen, aus Händen geschaffenen Aufbauarbeit. Sie sind auch nicht zu vergleichen mit historischen politischen Staatsumwälzungen aus dem Volke, wie in der französischen Revolution geschehen oder dem aktuellen Versuch in Thailand.
Es wird von uns weit mehr gefordert. Es geht nicht nur um Überzeugungen und deren Umsetzung in die Tat. Es geht nicht nur um praktisches, realistisches Denken und dessen demonstrativer Realisierung. Nein.
Meine Generation, die gerade aufgebrochen ist und nun langsam aber sicher in die Lage kommt, die bisher von der aktuellen Herrschaft getragene Verantwortung zu übernehmen, sieht sich einem Curriculum gegenüber, das eine unbedingte Verknüpfung aller auch nur möglichen Kompetenzen zur Veränderung bzw. Erhaltung der menschlichen, gemeinsamen Lebensgrundlage nötig macht.
Die einfachen oppositionellen Formeln und Folgemuster von Schwarz-Weiß, Gut-Böse, Ost-West, „Kapitalismus“ - “Kommunismus“, Überzeugung - Handeln, „Demokratie“ - “Diktatur“, etc. greifen aufgrund einer unaufhaltsamen Globalisierungsdampfwalze nicht mehr. Es ist ein viel tiefgreifender Ansatz nötig, der eine weltweite Sensibilisierung vor, während und nach allen Handlungen zur Normalität werden lässt. Und genau hier unterscheidet sich die Herausforderung meiner Generation von allen Vorangegangenen.
Denn diese Sensibilisierung und das mit ihr einhergehende und verbundene bewusste Denken ist in Zukunft nicht mehr nur im Großen, im regionalen, nationalen bis hin zum weltweiten politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Handeln erforderlich, sondern fängt bei jedem Einzelnen an.
Und an diesem Punkt wird es unbequem. Denn erstens hört der Mensch nicht gerne Anforderungen, die Restriktionen seines eigenen Lebensstandards bedürfen und zweitens tut er dies aus dem Grunde nicht gerne, weil er schlicht und einfach nicht die menschlichen Kapazitäten hat, diesen persönlichen Anforderungen, sowohl kognitiv als auch praktisch sowie emotional, nachzukommen. Worin ich mich mit einschließe.
Doch soll dies kein Hinderungsgrund sein an den weltlichen Bedingungen und Grundlagen zu
arbeiten. Sich zu entwickeln, die guten als auch die schlechten Phasen in den Denkprozessen und den durchgeführten Handlungen durchzustehen und an eine finale Lösung zu glauben.
Denn eine positive Sache ist immerhin, dass wir eines der letzten Hindernisse, denen wir
gegenüberstehen, bestimmt auch noch überwinden: Uns selbst. Den Menschen.
Der Mensch ist nicht besonders groß, wenn man den Elefanten, gewaltige Mammutbäume
oder die Achttausender Gletscher sieht. Der Mensch hat sämtliche Höhen überwunden, er wird sich selbst auch noch bewältigen, da bin ich zuversichtlich.
Doch bei einer Schwierigkeit zittern meine Knie: die Überwindung der Tiefe.
Wir bewältigen alle Höhen, doch wir haben nicht das Rüstzeug den Druck der Tiefen auszuhalten. Der Großteil der Tiefsee ist uns unbekannt. Ebenso unsere menschliche Tiefe. Zu groß wäre der Druck. Zu tief der Abgrund. Zu wenig Füllzeug um ihn aufzufüllen.
In der Lösungsfindung spielt daher meiner Ansicht nach folgende Frage die wesentlichste Rolle:
Wie gelangt der Mensch zu seinem eigenen, persönlichen Tiefenverständnis und damit zu einer global umgreifenden Verantwortung zur Selbst- und Fremderhaltung sämtlicher Lebensformen auf unserem lebenspendenden Boden?


Literaturlinks:
Zu empfehlen ist die von WanTi zusammengestellte Bücherliste unter: http://www.kambodscha-info.de/cgi-bin/forum/YaBB.pl?action=search2
(Sehr hilfreiche Bücher sind dort genannt mit guten kleinen Rezensionen, auch wenn ich persönlich nicht jeder Rezension zustimmen kann.)

Hier noch ein paar Ergänzungen zu den Themen Kambodscha und Entwicklungspolitik:

GILBOA, Amit: Off the rails in Phnom Penh – into the dark heart of guns, girls and ganja. 1998. ISBN 974-8303-34-9
Unglaublich glaubwürdige und hautnahe Geschichten aus dem einfachen Leben von Westlern in Phnom Penh, die die vorherrschende Gesetzlosigkeit zur Ausübung ihres gebrauchenden und verbrauchenden Lebensstils ausnutzen. Ein Buch das klar verdeutlicht, dass sich in den letzten zehn Jahren nichts, aber auch gar nichts in Phnom Penh verändert hat. Same same.

ROHDE, Manfred: Abschied von den Killing Fields – Kambodschas langer Weg in die Normalität. 1999. ISBN 3-416-02887-2
Eine Abkehr von der Vergangenheit in die Zukunft. Ein umfassender Rundumblick, der auch
deutlich macht, dass Kambodscha nicht nur Angkor, Phnom Penh und Kampong Som ist (wie es Ilona Dürkop sehr schön in ihrem Kambodscha-Tagebuch beschrieben hat http://www.ilonaduerkop.info/kambodschatagebuch-2007.html), sondern viele Facetten mehr zu bieten hat.

PORTER, Doug; ALLEN, Bryant; THOMPSON, Gaye: Development in Practice – Paved with good intensions. 1991. ISBN 0-415-03564-3
Über ein gescheitertes Entwicklungsprogramm in Kenya, das Anfang der Siebziger Jahre startete und zwanzig Jahre später mit mehr als spärlichen Ergebnissen signifikant scheiterte. Es kann depressiv machen, es kann aber auch ein Lehrbuch dafür sein, mögliche Fehler zu vermeiden. Klar wird auf jeden Fall um ein weiteres Mal die Komplexität und Verantwortungslast im entwicklungspolitischen Handeln.

GREEN, Duncan: From poverty to power. 2008. ISBN 978-0-85598-593-6. Auch kostenloser
Download unter: http://www.oxfam.org/en/content/from-poverty-power-full-text
Gehört zu den aktuellsten Texten und macht Mut. Green konfrontiert mit der Realität, zeigt aber Wege aus der Misere die nicht im idealistischen Niemandsland (wie bei mir) verschwinden.

Weblink: www.worldkey.org Die Zukunft?


Zum Abschluss noch eine kleine wahre Geschichte:

Es ist ein heißer sommerlicher Samstagnachmittag in Deutschland. Herr Müller (Name geändert) und dessen Sohn sind gerade dabei das Familienauto an einer Handwaschanlage zu waschen als sie von Weitem ein klapperndes, sich langsam näherndes rostiges Fahrzeug wahrnehmen. Es nimmt direkten Kurs auf die Waschanlage. Als es schließlich hält erkennen Herr Müller und dessen Sohn, dass das linke Hinterrad des rostigen Vehikels geplatzt ist und sogleich steigen ein Mann und seine Familie aus dem Wagen aus.
Modisch scheinen sie nicht auf dem neuesten Stand zu sein und auch die Körperpflege der Fremden scheint eine schwache Intensität zu haben. In Deutschland ist für solch ein Auftreten ein umgangsprachliches und mit Misstrauen gekoppeltes Wort stark im Gebrauch, welches ich hier aber nicht nennen möchte, der Vorurteile wegen.

Sie steigen also aus und nähern sich Herrn Müller, der gerade dabei ist mit Superspeed-Hochdruck den Total-Clean-Schaum vom grünen Lack zu waschen. Der Mann geht auf Herrn Müller zu und fragt ihn ob er wisse wo man einen neuen Reifen kaufen könne. Herr Müller hält inne und sagt, dass sie einen Moment warten sollen, er sei gleich mit dem Waschen fertig und könne sie dann zu einer Werkstatt fahren.
Gesagt, getan. Nach ca. einer halben Stunde und ein paar Irrungen, aufgrund der Problematik, dass es Samstagnachmittag ist, finden sie schließlich eine Werkstatt, die sogar einen geeigneten Reifen übrig hat. Für Fünfzig deutsche Mark wäre der Reifen und damit der noch zweihundert Kilometer andauernde Nachhauseweg für die Familie zu haben. Bargeld haben sie keines bei sich, also fahren Herr Müller und dessen Sohn mit der Frau des Mannes zum nächsten Bankautomaten, einige Kilometer entfernt. Es ist eine ländliche Gegend.
Dort angekommen und sämtliche EC-Karten ausprobiert, muss die Frau leider resigniert feststellen, dass das Konto, aus nur ihr bekannten Gründen, gesperrt wurde.
Enttäuscht fahren sie also zurück zur Werkstatt, wo der Mann und die übrige Familie schon
ungeduldig warten.

Was nun?

Nach einiger Bedenkzeit macht Herr Müller folgenden Vorschlag:
„Also passt auf: Ich werde euch jetzt die fünfzig D-Mark leihen, damit ihr euch den Reifen kaufen
könnt und nach Hause kommt. Aber ich hoffe sehr, dass ich mein Geld wiederbekomme!“
Überrascht und überaus dankbar nimmt die Familie das Angebot an und versichert so schnell wie möglich das Geld zurückzuzahlen. Herr Müller übergibt das Geld dem Mann, der in der Werkstatt den Reifen bezahlt, der danach umgehend angebaut wird, sodass die Familie ihre Heimreise fortsetzen kann.

Einige Monate später:
Der Sohn macht Hausaufgaben als Herr Müller wutentbrannt nach Hause kommt. Es stellt sich
heraus, dass Herr Müller sein Auto in die sechs Kilometer entfernte Werkstatt zur Reparatur
gebracht hat, wo es bis zum nächsten Tag bleiben muss. Aufgrund der nicht vorhandenen
öffentlichen Verkehrsmittel, fragte er dort anwesende Autofahrer- und fahrerinnen ob sie ihn denn nicht die paar Kilometer bis zu seinem Wohnort mitnehmen könnten.
Vergeblich. Nur Kopfschütteln und arrogante sowie misstrauende Blicke.

Wutschnaubend poltert Herr Müller, als er zu Fuß zu Hause angekommen ist:

„Ich werde auch keinem mehr helfen! Wenn man selbst mal Hilfe braucht, steht man alleine da!“
In der Zwischenzeit holt der Sohn die Post aus dem Briefkasten und seine Aufmerksamkeit gilt
sogleich einem blassen Briefumschlag ohne Absender. Er legt die Post auf den Esstisch und öffnet
den Brief.

Darin ein Fünfzig-Mark-schein und ein Zettel auf dem mit stakeliger Schrift steht:

„Mit Dank zurück!“


Lia sen haöey Kampuchea!
Auf Wiedersehen Kambodscha!


Bangkok 14/12/2008

2008/12/09

Presseethik

Terminabsage eines Projektverantwortlichen in Poipet:

"Let me tell you one story:

We've been working here for several years now.
Once we had people who came from the west to make an article about Poipet situation. They wanted to meet people living under the bridge. We advised them not to take pictures as requested by local authorities. But they took pictures...
As a result we have been prevented from going working there for a couple of years.
Back home the journalist could write an article and show some pictures. Here, all organisation working in Poipet could not provide a service to people living in a real bad situation.

I think you will understand my concern."

Yes I will.


Kampot 09/12/2008

2008/12/04

Change, yes we can?

Ich bin wieder zurueck in Kampot.
Ein Sog zog mich hier hin, denn es ist ruhig hier. Auch in mir wird es ruhig, als wuerde der innerliche Idealismus noch pochen, doch mit einem sich bildenden steinernen Mantel um seinen Kern. So als wollte er sich schuetzen vor der eisernen Brutalitaet einer Realitaet die er stets vermutet hat, doch die er in ihrer tatsaechlichen Existenz noch nicht zu verkraften in der Lage ist.

Es bleiben noch ein paar Tage. Ein paar Tage zum Setzen und Gedanken zurechtschieben und noch ein paar wenige ausstehende Termine wahrzunehmen.

Die Sonne wird heisser in den letzten Tagen, dennoch ist mir kalt. Ich entzuende jeden Tag ein kleines Feuer um wenigstens die Haende zu waermen. Die Flamme ist schwach, das Brennmaterial schwierig zu finden jeden Tag.

Doch was rede ich.

"Nicht reden, anpacken!", sagte Roger Valkenborghs.

Ich hoffe es geht ihm gut.


Kampot 04/12/2008

2008/11/30

Am Strohhalm gefesselt

Irgendwo zwischen der Promenade und dem Independence Monument in Phnom Penh steht ein kleiner Lastwagen. Vollgestopft mit Mechanikerwerkzeugen, Mopedersatzteilen und Schlafutensilien. Hier wohnt eine vietnamesische Familie. Der Sohn ist Mechaniker, die Mutter bedient den Benzinkanister. Es reicht zum leben.
Es ist Nachmittag und ich gehe ziellos durch die Stadt, die Promenade entlang, vorbei an Pagoden und kleinen Garküchen an verkehrsreichen Straßen.
Im gedanklichen Niemandsland winkt mich jemand zu sich. Ein Mann um die dreißig, europäisches Aussehen, vor dem Mechanikerlastwagen sitzend. Ich gehe auf ihn zu, fünf Minuten später sitze ich neben ihm auf einem der typischen verrußten Gartenstühle, verstrickt in eine Unterhaltung mit dem Europäer. Ronny, Norweger, 33 Jahre alt, seit sechs Monaten in Kambodscha, vorher Birma, Malaysia, Laos etc. als Erntehelfer und Hilfsarbeiter, schließlich ein Kind in Thailand gezeugt, hatte letzte Nacht einen heftigen Streit mit seiner Khmer Freundin, saß mehr als zehn Jahre im Knast in Norwegen wegen unerlaubtem Waffenbesitz und -schmuggel, mag Adolf Hitler und Wladimir Putin, sein Vater starb Anfang der Neunziger, sein Bruder ist Anteilshaber von Klamottenläden in Asien und er selbst will auf absehbare Zeit versuchen einen Job als Englischlehrer zu bekommen.

Soviel zu Ronny und seinem Leben.

Nun sitzt er hier, vor dem Mechanikerwagen, trinkt einen Shot Reiswein nach dem anderen und erzählt mir von seiner Welt, seiner Politik und dem wahren Kambodscha. Er ist mittlerweile eine kleine Berühmtheit im Viertel, ständig kommen Leute die ihn grüßen, mit ihm schlechtes Englisch reden, belanglos.

Er mag die Kambodschaner. Sie haben ein großes Herz, einen immensen Charakter und "they give a shit about money! Not like fucking greedy Thailand!".
Die Khmer Rouge Garde ist immer noch die herrschende Klasse, ein paar Familien teilen das kambodschanische Vermögen unter sich auf und verscherbeln ihr eigenes Land an ausländische Investoren.
Das übliche also, wie es sich in jeder annähernd unabhängigen Zeitung nachlesen lässt.

Doch nach zwei Stunden, es ist mittlerweile dunkel geworden, fragt er mich, ob er mir das wahre Kambodscha zeigen dürfe. Mittlerweile unruhig geworden und im Begriff zu gehen, willigte ich dankbar für eine Abwechslung ein.
Nicht weit entfernt betraten wir einen Hinterhof. Hier hin verirrt man sich eigentlich nur wenn man auf der Suche nach billigem Sex oder Drogen ist. Es sind "his friends, don't worry" sagt mir Ronny und erklärt den heraneilenden, barangwitternden Zuhältern und Dealern, dass er mir nur die Gegend zeigen wolle.
Im Hintergrund stehen übertrieben geschminkte Frauen, kleine Kinder und ein Geruch aus Müll und Ganja in der Luft.
Vor ein paar Jahren standen hier noch mehr "Häuser", doch werden diese nach und nach abgerissen, Regierungsauftrag zur "Säuberung" Phnom Penhs.

Wir gehen über Trümmer, vorbeihuschende Ratten, kleine Katzen mit undichtem Fell und betreten eine der zahlreichen Behausungen. Hier lebt Mr. T. mit seiner Familie, bestehend aus seiner Frau, seinen drei Kindern und seiner Mutter. Das "Appartement" ist ca. sieben Quadratmeter groß. Davor eine provisorische Küche, vielleicht vier qm.
Wir nehmen Platz auf der Holzliege im Zimmer.

Mr. T., ebenso 33J., ist drogenabhängig, macht hier und da ein bisschen Geld durch Dealereien. Die Drogen bekommen sie von der Polizei, dem geheimen Netzwerk.
"He is a good man, his children go to school, he does everything right, you know?" versichert mir Ronny. Er weiß selbst nicht genau wie man es schaffen kann in diesem Umfeld eine Familie zu ernähren. Sie haben nichts, doch sie geben mehr als Wohlhabende.

Dann bringt Mr. T.'s kleiner Sohn eine kleine Plastikflasche, mit zwei herausragenden Strohhälmen, vom Aufbau her ähnlich wie eine Wasserpfeife oder eine Ganjabong.
Doch hier gibt es kein simples Marihuana. Das Tütchen das Mr.T. öffnet enthält Ice (eine Inhalationsvariante von Crystal, einer chemischen und äußerst gesundheitsschädlichen Droge die bis hin zu organischen Schäden und irreparablen psychischen Veränderungen führen kann). Die Anwendung ist etwas schwierig und bedarf am besten vier Hände.
Ronny und Mr. T. ziehen jeweils an den Strohhälmen, sie bieten es mir auch an, ich lehne dankend ab, es wird akzeptiert. Auch wenn es Mr. T. seltsam erscheint, denn er kennt kaum jemanden der nicht raucht. Nahezu jeder in Kambodscha, vom TukTuk Fahrer über den Polizisten bis hin zum Politiker und dem König konsumiere zumindest Haschisch (Wie überall auf der Welt).

Das Zimmer wird immer verqualmter, Ronnys Artikulation immer ungenauer, die Kinder spielen auf dem Boden, während Mr. T.'s Mutter die Einnahmen des Tages zählt. Die jüngste Tochter sieht ihrer Großmutter sehr ähnlich. "Same, same."

Ähnlich auch ihre Zukunft.

Später frage ich Ronny wie denn seiner Meinung nach eine Veränderung beschaffen sein müsste.
Ganz klar, sagt er, wünscht er sich eine Verbesserung der Lebensumstände für die Menschen hier, doch würde er niemals ein Khmer-Herz gegen ein westliches eintauschen.


Phnom Penh 30/11/2008

2008/11/28

Mit Reiswein gegen Konventionen

Nach unzureichender Internetverbindung in Battambang und Pursat melde ich mich wieder zurueck aus Phnom Penh. Battambang an sich ist eine schoene alte Kolonialstadt, die wie alle Staedte Kambodschas zu Khmer Rouge Kriegszeiten voellig leergefegt war. Alte Kolonialbauten zeugen von einer franzoesischen Vergangenheit. Als ich ankam lernte ich Mr. Maro kennen. 45 Jahre alt, Familienvater von zwei Kindern und (leicht zu erraten) Mototaxifahrer. Er war mir gleich sympathisch durch seine offene Art und einem seiner ersten Saetze zu mir: "Please speak true to me, I speak true to you!"

Mr. Maro ist ein politisch sehr interessierter Mann, mit einem Hang dazu alle Laender die an Kambodscha grenzen zu verteufeln. Das tun viele Kambodschaner, aus Angst ihr Land koennte von den staerkeren Nachbarn gefressen werden. Doch seltsamerweise spricht niemand ueber China, das in den letzten paar Jahren Stueck fuer Stueck Kambodscha regelrecht aufkauft. In den letzten drei Jahren hat China jeden Monat eine neue Fabrik in Kambodscha gebaut, mit der vordergruendigen Hintergrundphilosophie, dass auch die Nachbarstaaten vom eigenen Aufbau profitieren muessen wenn man eine friedvolle Zukunft miteinander gestalten moechte.
Vordergruendig.
Nebenbei weist China immer noch jegliche Verantwortung an den Massakern der Khmer Rouge von sich, obwohl diese massiv aus dem Reich der Mitte finanziell unterstützt wurde. Wie konnten sie denn auch wissen was Pol Pots Schergen in ihrem Land alles anstellen. Es ging ja schliesslich nur um politische und wirtschaftliche Freundschaftsbeziehungen...

Mr. Maro allerdings hat ein besonderes Misstrauen gegenueber Vietnam, als finanziellen Unterstuetzer Hun Sens. Eine Unterstuetzung, die Hun Sen durch Bechtechungen vor den Wahlen an einfache Buerger zur Machterhaltung nutzt. Maro chauffiert mich durch Hun Sen-Unterstuetzer-Viertel mit guter Infrastruktur, guten Strassen und vielen motorisierten Menschen. Gleichzeitig jedoch auch die Oppositionellen-Bezirke mit sehr schlechten Verkehrsanbindungen und rudimentaeren Behausungen.
Er ist auch nicht traurig ueber den ploetzlichen Tod des Polizeichefs Hok Lundy, dem zweiten Mann Kambodschas, durch einen mysterioesen Hubschrauberabsturz. "He was a very brutal man!" sagt er mit heruntergezogenen Mundwinkeln.
Er zeigt mir die Countryside mit dem Krokodilhuegel und weitere von denen im ganzen Land verteilten Todes-Hoehlen der Khmer Rouge, die auf mich einen weitaus gruseligeren Eindruck machten als andere inszenierte Gedenkstaetten wie in Phnom Penh.
Als wir zum EkPhnom Tempel gelangen richtet er seinen Vaterblick mit ernster Miene auf die grossen Gruppen von Jugendlichen die dort "herumhaengen", Reiswein trinken und gefaehrliche Mopedstunts machen um den Maedchen zu imponieren. Es stellt sich heraus, dass die Jugendlichen in Battambang um einiges dreister zu sein scheinen als Jugendliche in Phnom Penh. Denn dort schwaentzen sie nicht nur die Schule, sondern wechseln gar ihre Kleidung auf dem Weg zu ihren Treffen. Die Schuluniform verschwindet in den Ablagen unter den Mopedsitzen. Fuer Mr. Maro ein grosser Dorn im Auge und er sagt, falls er eines seiner Kinder einmal hier erwischt wird er es verbannen. Zu ernst ist es ihm um die schulische Ausbildung und Verbesserung der Lebensverhaeltnisse seiner Kinder gelegen, als dass er solch eine Disziplinlosigkeit dulden koennte. Und zu hart und beschwerlich muss er sein Geld verdienen um das inoffizielle Schulgeld fuer seine Kinder zu bezahlen.
Abends lade ich ihn zum Essen ein. Es gibt Frosch und fuenf grosse Angkor Bier.
Am naechsten Tag fahren wir zu Phare Ponleu Selpak (Internet: http://www.phareps.org/), einem Zirkusprojekt in der Ocha Gemeinde. Dort treffe ich auf Youri Francx, ein Belgier und Fund Raising Officer. Einer von den drei auslaendischen Mitarbeitern von insgesamt rund fuenfzig Khmer-Projektarbeitern. Die Organisation wurde Anfang der Neunziger von Khmer Artisten gegruendet und besitzt nun seit einigen Jahren das einzige Zirkuszelt Kambodschas. Das Team absolvierte bereits Showtouren in der ganzen Welt und wird von Jahr zu Jahr bekannter. Es gibt auf dem Gelaende eine grosse Schule, einen Kindergarten, ein Freizeitzentrum, ein Cartoon Studio, ein Artisten Trainingscenter und ein Wohnhaus fuer freiwillige Helfer.
Sehr interessant und sehr aussergewoehnlich war das Cartoonstudio in dem professionelle Aufklaerungscartoons produziert werden, z.B. ueber Hygienethemen oder haeusliche Gewalt. Ich hatte das Glueck ein paar Minuten ueber die Schulter schauen zu duerfen. Ein Konzept, das ich bisher nicht gekannt habe.
Spaeter verabschiede ich mich von Maro bei einer Huehnersuppe und liess mir von ihm den Rat erteilen doch bitte sorgfaeltig die Nachrichten ueber Thailand zu lesen, bevor ich mich auf den Weg nach Bangkok im Dezember mache.
Am naechsten Tag ging es nach Pursat. Dort wollte ich die Organisation Sustainable Cambodia (Internet: http://www.sustainablecambodia.org/) sehen, die dort mit Hilfe von auslaendischer Freiwilligenarbeit Gemeinde- und Bildungsprojekte durchfuehrt.

Nachgelieferte Koh Kong Eindruecke

Mein erster Abend am Fluss.

Eine stillgelegte Fabrik am Rande von Koh Kong.

Sehr heruntergekommen, von aussen...

...wie von Innen.

Die zwei Kilometer lange Bruecke. Ein Teil des Weges zur Thaigrenze.

Ein wie ich finde ueberdimensional und viel zu aufwaendig gestalteter Sitz des kambodschanischen Roten Kreuzes. Der Garten ist piekfein gestaltet und Gartenpfleger bevoelkern dort das ganze Gelaende.

Drachensteigen an der Promenade.


Battambang

Ausserhalb von Battambang finde ich mithilfe eines heruntergekommenen Mopeds ein Gemeindedevelopment Projekt, das von Japan finanziert wird, einem der massgeblichen Spenden- und Projektinitiatoren in Kambodscha.

Eines der vielen Projektkarossen von Save the Children. Geldinvestition der besonderen Art. Ich war waehrend eines Praktikums bei der Auswahl der neuen Geschaeftsfuehrerin von STC Deutschland dabei, eine fruehere Personalmanagerin eines grossen deutschen Einzelhandelsunternehmens welches letztes Jahr pleite gegangen ist... Eigenartig manche berufliche Wege..

Ein wunderschoener Blick ueber das Hinterland von Battambang.

Die Strasse nach Battambang.

Eine der Hoehlen in denen sich tote Menschen stapelten.

Durch eines der besagten Oppositionellen-Viertel. Ob der Truck heute noch feststeckt weiss ich nicht. Spaetestens zur Trockenzeit muesste er wieder freikommen:-)

Der Bamboo Train. Eine Touristenattraktion. Ein Riesenspass! Aber die Geschwindigkeit ist nicht zu unterschaetzen. Besser man faehrt von einem der kleinen Haltestellen los, dort sind weniger Touristen und die Menschen freundlicher, so mein Eindruck.

Auf dem Weg zu meinem Guesthouse entdeckten wir eine Cobra, die ein paar Minuten spaeter von einem Anwohner gefangen wurde. Eine ganze Menschentraube sammelte sich innerhalb kuerzester Zeit.


Phare Ponleu Selpak in Battambang

Das Hauptbuerogebaeude.

Die Trainingshalle fuer die Artisten.

Links die Vorschule, rechts ist noch ein Teil des Cartoonstudios zu sehen.

Eine kleine Buehne fuer Proben und Auffuehrungen fuer Touristen.

Die Trainingshalle von Innen.

Das Zirkuszelt. Ganz versteckt im hinteren Teil des Gelaendes.

Im Inneren finden gerade Proben mit schauspielerischen und...

...artistischen Einlagen statt.


Sustainable Cambodia in Pursat

Am Rande von Pursat gelegen, das Buerocenter mit integrierter Schule.

Ein Teil der Gemeinde des Projekts.

Compost fertilizer. Ein Projekt zur natuerlichen Duengemittelherstellung fuer ein Heimgartenprojekt zum Anbau von Gemuese und Pflanzen.

Eine Reisbank mit deren Hilfe sich die Bewohner ihren Reiskonsum einteilen und damit rationalisieren koennen.

Ein Fischzuchtbecken, eines der aeltesten Projekte. Von deutschen Spendern finanziert.

Ebenso eine Schweinezucht wird hier aufgebaut...

...sowie eine Bienenzucht. Der Verantwortliche fuer die Bienenzucht wurde extra nach Ljubljana/Slowenien geschickt um effektive Honigproduktion zu lernen. Der gewonnene Honig wird auf dem Markt verkauft.

Brunnenbau. Ich weiss nicht ob es gute Brunnen sind, da muesste man Wolfgang Kutzek mal fragen.

Einer der Klassenraeume. Das ganze Gebaeude ist sehr offen gestaltet.

Hier die praeambelartigen Ziele...

...und Richtlinien.

Selbstredend.

Phnom Penh 28/11/2008

2008/11/18

Respekt

Mein letzter Tag in Kampot war letzte Woche Mittwoch. Ich musste nach Koh Kong, mein Visum verlaengern lassen. Denn ich machte Ende September in dem Trubel meiner Einreise nach Kambodscha den Fehler mir ein Touristen Visum ausstellen zu lassen. Ds laesst sich nur einmal verlaengern, daher musste ein neues her.
Meinen letzten Tag im wunderschoenen Kampot verbrachte ich in der Pagode auf Fish Island. Bisher die schoenste Pagode die ich hier gesehen habe. Nicht hauptsaechlich wegen dem Bau, sondern vielmehr aufgrund der angenehmen Athmosphaere dort. Direkt am Fluss gelegen, mit zwei Tempeln, einem alten und einem neuen.
Ich unterhielt mich dort mehrere Stunden mit Mina, einem 28 jaehrigen Moench, der seit zehn Jahren dort lebt und in einer Schule Englisch und Moral unterrichtet. Er moechte bald, wenn er sein Studium beendet hat, sein Moenchdasein aufgeben und eine Familie gruenden. Entweder eine Blumenfarm oder das Englischlehren soll ihm dabei als Existenzgrundlage dienen. Im Haus soll es viele Buecher fuer die Kinder geben. "Many books, so they can read and build the basis for their further education." Er war sehr daran interessiert Fotos auf meiner Kamera zu sehen. "But not cambodian, I know how it looks like here!", warnte er mich und so zeigte ich ihm Bilder der schottischen Highlands aus dem August diesen Jahres und Schlittschuhlaufen in Hamburg letzten Winter. Die Bilder wirkten sehr befremdlich auf ihn. Es gab zum Beispiel keine Baeume auf den Highlands und die Schlittschuhbilder sahen so aus als waere ganz Deutschland unter einer Eisflaeche begraben. Es machte Spass sich mit ihm zu unterhalten. DieWeisheit liegt in den einfachen Dingen.

Am Tag darauf ging es im Minibus in Begleitung dreier sehr zwiespaeltig erscheinenden Personen nach Koh Kong an die thailaendische Grenze. Ein Brite den ich in meinem Guesthose in Kampot traf, erzaehlte mir, dass ein gewisser Otto ein Gaestehaus in Koh Kong betreibt. Ein Deutscher. Irgendwie liess ich mich von diesem Tipp und meiner Sehnsucht mal wieder einen Landsmann zu treffen leiten und kehrte also mittags bei Otto ein.
Sein Gaestehaus ist im typischen Khmerstil aus Holz und sehr verwinkelt gebaut, sehr interessant. Ich fuehlte mich jedoch irgendwie nicht wohl. Ottos Gastfamilie war auch nicht die freundlichste, aber ich dachte mir, naja, vielleicht haben sie nur einen schlechten Tag.
Otto liess sich nur mal blicken wenn er sich ein neues Bier aus dem Kuehlschrank holte und wieder zurueck in sein Zimmer wankte. Meinen Wunsch einen Landsmann zu treffen stellte ich also aufs Abstellgleis. Bis zum Abend.
Ich sass an diesem Abend in Ottos Restaurant auf seiner Terasse mit einigermassen Ausblick, als ploetzlich drei Deutsche, Ende Fuenfzig bis Anfang Sechzig, am Nachbartisch Platz nahmen. Sie bestellten sich Jaeger- und Zigeunerschnitzel nach traditioneller Art.
Was dann folgte war ein Austausch ihrer Bettgeschichten im benachbarten Thailand, die ich im Einzelnen nicht wiedergeben moechte. Ich wusste nicht was ich denken oder fuehlen sollte. Mitleid oder Wut? Hass oder Scham? Ist auch egal.
Einer der werten Herren sagte jedenfalls nach seinem Schnitzel: "Ja, beim Otto kann man immer gut essen!"

Ich musste so schnell wie moeglich weg! Am naechsten Tag also die Visa-Prozedur und danach ein Ticket nach Battambang ueber Phnom Penh gekauft. Ein langer Marsch durch Koh Kong zeigte mir noch die Schoenheiten dieser Stadt, doch getruebt wird diese, wie so oft, durch die Menschen. In meinem Fall, der oben genannte war nicht der einzige, durch Deutsche.
Der Beigeschmack von Grenzstaedten.

Seit Samstag also mal wieder Phnom Penh. Und auch mal wieder das zweite Mal in den letzten zwei Monaten krank geworden. Wieder in Phnom Penh. Ich kann mich mit dieser Stadt einfach nicht anfreunden und bin froh sie morgen Richtung Battambang wieder zu verlassen.
Doch zuvor wollte ich Kidshelp-Kambodscha besuchen. Wie Wanti beschrieben hat, ca. 40 km noerdlich von Phnom Penh, 400 Meter nach Bruecke 19.
Ich hatte das Glueck einen aeusserst kompetenten Mototaxi-Fahrer zu finden. Sa Vin spricht sehr gut Englisch, hat eine Frau und moechte auch irgendwann raus aus Phnom Penh, wenn er sich ein Haus bauen kann. "This city is too dusty!"
Er war sogar so freundlich mir einen Helm aus seiner Wohnung zu besorgen. Einer von diesen Rugby- aehnlichen Helmen mit Kinnschutz, wie ihn Jack Nicholson in Easy Rider traegt. Irgendwie fuehlte ich mich auch so, mit dieser Haube auf dem Kopf.
Nach dreiviertelstuendiger Fahrt kamen wir am Buero- und Wohnhaus von Roger Valkenborgh an. Leider nicht so gluecklich, denn er verliess gerade sein Anwesen um nach Phnom Penh zu fahren. Ein Treffen mit dem Vater von Hun Sen, es gehe um wichtige Probleme. Er nahm sich aber noch kurze 5 min. Zeit um mir sein Buero zu zeigen, mir seine Telefonnummer zu geben und ein Foto zu machen. Er hat mich auch gleich eingeladen noch einmal wiederzukommen, er habe auch ein Gaestezimmer, ich muesse also nicht in Phnom Penh uebernachten. Also werde ich in ungefaehr zwei Wochen noch einmal vorbeischauen. Ein sehr freundlicher Mann. Ich moechte mehr erfahren.
Als Sa Vin im Buero ein Foto von Valkenborgh in Gesellschaft mit Hun Sens Vater sah, wurde er auf einmal etwas ehrfuerchtig und verbeugte sich vor Valkenborgh. Ich dachte es waere ein Zeichen des Respekts.

Auf dem Weg zurueck in die Stadt machte mich Sa Vin noch auf einige Jugendliche aufmerksam, die die Schule schwaentzen und dafuer ihr Schulgeld fuer jugendliche Prostituierte und Drogen ausserhalb der Stadt ausgeben. "There is a resort and rooms for sex."
Das hoerte ich zum ersten mal.

Als wir uns dann in Phnom Penh verabschieden und er mir seine Telefonnummer gibt, fuer den Fall, dass ich wieder herkomme, sagte er mit einem, dem gesagten abschaetzenden, Blick zu mir:
"This german guy from kidshelp meets some VERY special person today!"
Ich fragte ihn: "Do you think so? It's just Hun Sens father.. do you like Hun Sen?"
Sa Vin: "Not really!"

Ein Zeichen gespielten Respekts.

Phnom Penh 18/11/2008

2008/11/09

Von Menschen, Tieren und anderen Unzulaenglichkeiten

Am Donnerstag traf ich Hing Channarith, den oertlichen Manager der Cambodian Children Advocacy Foundation (CCAF Internet: www.camcaf.org). Mit ihm in Kontakt gebracht wurde ich durch Sandy (seine Blogseite: www.sandycambodia.blogspot.com) von Kampot Interact (www.kampotinteract.org), eine kleine Ein-Mann-Initiative, die sich unter anderem um Oeffentlichkeitsarbeit (hauptsaechlich online) fuer ansaessige soziale Einrichtungen kuemmert oder auch beratende Unterstuetzung anbietet, zum Beispiel fuer die Chumkriel Language School ausserhalb von Kampot. Sandy, ein Schotte Anfang Vierzig, kam vor ca. zwei Jahren hier her um Kampot Interact von seinem Bruder zu uebernehmen, der als Gruender vorher fuer die Einrichtung zustaendig war. Frueher hat Sandy an einer Londoner Universitaet als IT-Fachmann gearbeitet und suchte dringend Abwechslung. Da kam ihm das Angebot seines Bruders gerade richtig, das Buero in Kampot zu uebernehmen. Er finanziert sich selbst und die naechsten drei Jahre wird es wohl noch gehen, ab da muss er sich ein finanzielles Standbein ueberlegen. Ich erzaehlte ihm von Wolfgang W. Kutzek, der gerade dabei ist sich eine Schweinezucht als Existenzgrundlage aufzubauen und Sandy sagte: "Really? I should think about a porkfarm too!".
Anyway, zurueck zu Hing Channarith. Wir sassen also am Donnerstagabend ca. zwei Stunden in einem Restaurant an der Frontseite, das ist die Strasse die in Kampot entlang des Flusses verlaeuft, und pseudophilosophierten ueber verschiedene Themen der Entwicklungsammenarbeit und seine Arbeit beim CCAF.
Er spricht sehr gut Englisch, was aufgrund seiner Teilaufgabe der Spendenaquirierung auch eine Grundvoraussetzung ist. Hing erzaehlte mir davon, wie schwierig es sei Motivation und kreatives Denken in Kambodscha zu erzeugen. Die Menschen seien aufgrund ihres Bildungsmangels oft nicht in der Lage Notwendigkeiten, wie z.B. den langsamen und schrittweisen Aufbau der Gesellschaft, zu verinnerlichen. Sie sehen nur die teuren Autos und samtgekleideten Menschen, die durch die Slumviertel zu ihren abgelegenen Villen fahren und verkaufen aus lauter Kurzsichtigkeit ihre Reisfelder, ihr ganzes Hab und Gut, nur des Bargeldes wegen. Wenn dann aber das ganze Geld aufgebraucht ist, sitzen sie mit ihrer Familie auf der Strasse.

Er erzaehlte mir auch von 1969, der Zeit vor Lon Nol. Das sei die Zeit gewesen in der man noch Eigenstaendigkeit gelehrt bekommen habe. Er weiss wie man einen kaputten Stuhl oder Tisch repariert. Heute, sagt er, warten die Leute darauf, dass jemand kommt und die Reparatur uebernimmt. Es gibt kaum noch Eigeninitiative.
Auch in seiner Organisation wuenscht er sich Fortbildungen zu Themen wie Motivation und visionaerem bzw. kreativem Denken, dort herrscht ein grosser Mangel. Autoritaeten seien fuer die Bevoelkerung das einzige was zaehlt.

1969 seien die Schulkinder nach der Schule nicht noch mit ihrem Fahrrad durch die Stadt gegondelt wie es heute der Fall ist, sondern sie sind nach Hause gefahren und haben bei der Hausarbeit geholfen. Es herrschte seiner Meinung nach ein voellig anderes Verantwortungsbewusstsein vor. Die Kinder und Jugendlichen fuehren ihre Eltern heute an der Nase herum. Ist ja auch einfach, wenn die Eltern selbst nie eine Schule besuchen konnten und es fuer sie aufgrund des Bildungsmangels immer schwieriger wird, Weisungsbefugnisse gegenueber den Kindern fuer sich zu beanspruchen.

Aber er ist dennoch optimistisch fuer die Zukunft und fuer ein prosperierendes Kampuchea.

Hing ist uebrigens nicht so gluecklich, dass Barack Obama nun neuer US-Praesident wird. Er war fuer Hillary Clinton. Denn er haelt Obama nicht fuer so smart wie er in den Medien dargestellt wird.
Dass er fuer Clinton war, ist auch in Kambodscha eher die Ausnahme, denn der Grossteil der Kambodschaner wuenschte sich McCain als neuen Praesidenten, da dieser oft in Kambodscha war und ueber die kambodschanischen Beduerfnisse Bescheid weiss wie kaum ein anderer.
Angesprochen auf die Adoptionstechtelmechtel von Angelina Jolie und Brad Pitt, die auch Station in Kampot machten, sagte Hing nur: "Forget it!".
Ebenso argwoehnisch steht er sogenannten westlichen Wahlbeobachtern gegenueber. Die kommen zwar hierher, legen einen strengen Blick auf, fuellen ein paar Formulare aus, aber am Ende aendert sich nichts und Hun Sen kann mit seinen Schergen die Ungleichheitspolitik weiterfuehren. Sozialismusgleich.
Am Ende macht er mir ein Angebot: Mache Fundraising fuer uns in Deutschland, komme wieder zurueck nach Kambodscha und arbeite fuer uns vor Ort. Bezahlt wirst du durch dein eigenes Fundraising, nach dem bekannten 70% - 30% Prinzip.
Ich persoenlich halte nicht viel davon Externe von Spendengeldern zu finanzieren. Ich lehnte also ab.
Er lud mich ein am naechsten Tag mit zu einem der neuen Projekte zu fahren, ein Kindergarten (Pre-School) ca. 1,5 Autostunden von Kampot entfernt. Dort werde eine vorgezogene Feierlichkeit zum Unabhaengigkeitstag stattfinden, der heute am Sonntag ist. Ich sagte zu und so ging es am naechsten Tag morgens um sechs Uhr auf nach Banteay Meas. Mit dabei war auch Emma, eine Australierin, die nun seit 18 Monaten in Europa und Asien unterwegs ist, aufgrund von Verarbeitung einer zerbrochenen Beziehung zu einem Niederlaender, erzaehlte sie mir. Nun hat sie fuer sich die Aufgabe entdeckt, ein kleines Handbuch fuer Khmer Eltern zu schreiben. Darin soll es darum gehen den Eltern u.a. die Wichtigkeit des Schulbesuchs ihrer Kinder zu verdeutlichen. Wenn sie es durchzieht, sehe ich das als eine sehr schoene Sache. Das Buch wird natuerlich auch in Khmer uebersetzt. Ich hoffe, dass es auch reich bebildert sein wird fuer Analphabeten.
Auf dem Weg nach Banteay Meas gabeln wir auch noch Connor auf. Connor ist knapp 25, stammt aus New York und arbeitet fuer das Peace Corps (eine von John F. Kennedy gegruendete Organisation zur Laenderverstaendigung) seit zwei Jahren als freiwilliger Englischlehrer in einem kleinen abgelegenen Dorf. Als wir bei seinem Haus anhalten fruehstuecken wir dort erst einmal, Nudelsuppe mit Pork. Connor erklaert uns den Grund, dass er schon so frueh wach ist, obwohl er an diesem Tag eigentlich frei hat und er sagte, dass genau gegenueber von seinem Zimmer der Metzger seinen Schlachtraum hat und jeden Morgen die Schlachtschweine schreien.

Wie idyllisch.

Auf jeden Fall faehrt er mit uns um dann auf dem Rueckweg auch nach Kampot mitzufahren. Nur alle zwei drei Wochen kommt er nach Kampot, um seine E-Mails zu checken oder auch mal wieder ein paar Bekannte zu treffen.
Als wir dann an der Pre-School ankommen sind die Vorbereitungen schon in vollem Gange und die Kinder kommen und umringen uns wie eh und je um Barang (Fremder) zu sehen. Man fuehlt sich, als haette man gestern erst Hollywood mit dem Privatjet verlassen. Auch Sok Chhoeun, der Koordinator des Kindergartens empfaengt uns mit einem breiten Laecheln. Wir werden mit Khmer-Musik wie immer sehr freundlich empfangen und eine halbe Stunde spaeter werden wir Zeuge einer tollen Zeremonie mit fliegenden Luftballons (siehe Fotos). Danach fuehrte Emma noch zwei Interviews fuer ihr Buechlein was ich natuerlich gleich mitnutzte und die Gelegenheit in der Pause zwischen den beiden Interviews ergriff um zu fragen, wie sie denn die problematischen Fragestellungen bezueglich der Arbeit in "Entwicklungsgebieten" sehe, in Bezug auf Nachhaltigkeit und Westernisierung etc..
Doch darauf antwortete sie nur sehr knapp mit einem verschaemten Grinsen, dass sie sich selbst nicht wirklich damit auskennt, doch ginge es ihr eher darum zu schauen, wie sie persoenlich helfen koenne und was in ihrer Macht stehe.
Entweder hat sie mich sehr gut verstanden und bewusst so geantwortet oder sie hatte wirklich keine Ahnung davon, was ich von ihr wollte.
Auch egal, nach ca. einer weiteren Stunde machten wir uns wieder auf den Rueckweg, denn Hing wollte das Wochenende in Phnom Penh verbringen, wo er mit seiner Familie wohnt.

Wieder in Kampot fasste ich den Beschluss mit dem Fahrrad zur Kueste zu fahren. Ein nervenaufreibendes Unterfangen im Angesicht eines herannahenden Gewitters und der trostlosen Steppe leer von Menschenseelen.

Weiteres, auch meinen gestrigen Besuch im Nationalzoo von Kampot bitte den Fotos entnehmen.

Chumkriel Language School in Kampot

Die Kinder warten auf den Unterrichtsbeginn.




Das "Education Center" wie Sandy es nennt. Im Hintergrund sieht man im blauen Oberteil auch Emma, die Australierin, nur da kannte ich sie noch nicht.


"Freiwilligen-HelferInnen". Es ist eine schwierige Frage sagt Sandy. Natuerlich ist es nicht sehr effektiv wenn auch viele Touristen nur fuer einen Tag kommen nur um ein wenig Guddi Guddi mit den Kindern zu machen und ihr Gewissen zu beruhigen, aber auf der anderen Seite spenden diese Leute auch und machen sogar einen Grossteil der Spenden aus. Denn es kommen viele hier her, aufgrund des Bekanntheitsgrades der Schule.


Kohveang Pre-School in Banteay Meas

Der Kindergarten Lern- und Aufenthaltsraum.


Lehr- und Lernmaterialien. Bilder- und Textbuecher.


Die Gesundheitscheck-Hefte fuer jedes einzelne Kind. Zur kleinen Peinlichkeit von Hing nicht ausreichend bis gar nicht ausgefuellt, als er uns die Hefte demonstrieren wollte.


Die kleine Srelea singt Connor und Emma ein kambodschanisches Lied vor. Was leider nicht zu sehen ist, sind die sehr eleganten apsaragleichen Handbewegungen von Srelea.


Aufstellen der Kinder zum Gruppenfoto. Von oben als die Buchstaben CCAF zu erkennen.


Dann dauerte es nicht mehr lange und die Luftballons wurden in die Freiheit geschickt, sie sind nun unabhaengig.


Hing, Emma, Connor (v.l.n.r)


Mein Fahrradausflug an die Kueste von Kampot

Nach eineinhalb Stunden ueber Stock und Stein, mit zwei halbplatten Fahrradreifen unter mir erreichte ich schliesslich erschoepft aber gluecklich die Kueste. Kein Strand, keine Menschen, aber dafuer diese geheimnisvolle Behausung im Wasser. Eine merkwuerdige, doch interessante Stimmung.


Robinson Crusoe look alike.


Auf dem Rueckweg, kurz vor dem Start des prasselnden Wassers hielt ich auf der Bruecke, die von Fish-Island zurueck zum Festland fuehrt und dort fragten mich diese Kinder ob ich ein Foto von ihnen machen koenne. Ich dachte erst es ist wieder die Masche: Erst Foto, dann einen Dollar, bitte! Aber die Kinder wollten einfach nur das Bild auf meiner kleinen Digitalkamera sehen. Ohne Hintergedanken. Das tut gut.


Ausflug zur Kuestenstadt Kep mit Motorrad

Nichts wirklich Erwaehnenswertes, ausser mein Mittagessen: Gegrillte Krebse. Pur. Essen als Handwerk. Eine Delikatesse in Kep mit sehr gutem Ruf. Teilweise ganz lecker, aber fuer mich hauptsaechlich verzichtbar.


Von Kep mit dem Motoorrad zum National-Zoo von Kampot

Preisschild am Eingang. Massgebend.


Was man dort sieht sind beileibe keine gluecklichen Tiere. Ich selbst bin kein grosser Tierfanatiker, aber das ging selbst bei mir an jegliche Grenzen der Achtung von Geschoepfen. Affen die alleine in Kaefigen sitzen und von einheimischen Zoobesuchern auch noch gereizt werden...


Elefanten in lustlosen Gehegen, ebenso von einheimischen Besuchern wie Trottel behandelt indem sie mit ihrem Futter spielen und sie an der Nase herumfuehren.


Schildkroeten und Fische in schwimmbadfliesenblauen Becken. Purer Luxus sind die paar aufgehaeuften Steinbrocken. Doch in einem Land in dem viele Menschen wie Tiere leben muessen, werden Tiere natuerlich wie Sachen behandelt. Auch bei vorbeifahrenden Viehtransporten oft zu beobachten. Dagegen ist ein deutscher Schweinelaster ein Aircon Bus.


Von einer besseren Zeit, ich nehme an in den Sechzigern, zeugt dieses uralte, stillgelegte Karussel. Von diesen Geraeten gibt es dort einige. Gruselig.


Kurz vor dem Ausgang werde ich von diesem Orang Utan, dessen Namen ich leider nicht weiss, bespuckt und mit Sand beschmissen. Und er hat Recht, gehoere ich doch auch zu der Spezies die ihn dort einsperrt und begafft. Einen starken Eindruck hat dieser Besuch bei mir hinterlassen, denn bei vielen Tieren kommt aufgrund ihres trostlosen Daseins eine ungeheure Persoenlichkeit zum Ausdruck, die zeigt, dass sie vielleicht kein tolles Leben dort haben und ihre Freiheit verloren oder aber auch von Geburt an nie hatten, doch eines machten sie mir durch ihren Ausdruck deutlich: Sie werden um keinen Heller und Pfennig der Welt ihre Wuerde preisgeben! Ehrlich gesagt haben diese Tiere einen groesseren Eindruck auf mich gemacht, als viele Leute die ich getroffen habe.


Bonusbild: Regenwasserableitung

In einem Internetlokal in Kampot gibt es auf der Toilette eine selbst fuer kambodschanische Verhaeltnisse eher unkonventionelle Art Regenwasser abzuleiten :-)


Kampot 09/11/2008