2008/09/28

There are two ways

Als ich am Freitag nach der Tour zu den Floating Villages auf gut Glueck das COSO (Cambodian Orphan Save Organization) -Waisenheim im Angkor Park besucht habe, hatte ich leider kein Glück, da die Kinder auf einer Abschiedsparty von einem der freiwilligen Helfer in der Stadt waren. Doch Mr. Keom Kiv, der dort für die Verwaltung des Gebaeudes zuständig ist, zeigte mir freundlicherweise die Räumlichkeiten. Das Heim finanziert sich alleine aus Spenden von Touristen im Angkor Park. Es ist eine Menge im Argen dort. Ich beschloss also am naechsten Tag wiederzukommen, da ich sehr gerne die Kinder kennenlernen wollte die dort leben.
Also kam ich am gestrigen Samstag Mittag wieder dorthin. Man kann den Checkpoint am Angkor Park ohne Ticket passieren wenn man sagt, dass man das COSO Heim besuchen oder dort als Freiwilliger helfen moechte. Eine sehr kulante Sache einerseits von der Angkor-Verwaltung. Andererseits ist es paradoxerweise unbegreiflich warum die sogenannte Sicherheitspolizei des Parks dem Waisenheim verbietet Flyer zu verteilen um auf sich aufmerksam zu machen. Korruption laesst gruessen und verloren hat der, der nicht korrumpieren kann.
Als ich dort ankam wurde ich gleich sehr herzlich von den Kindern empfangen und fing gleich an mit ihnen zu spielen. Dabei ist zu erwaehnen, dass die Einheimischen nicht mit ihren Kindern spielen. Das wuerde einer Demuetigung gleichkommen und die Ehre verletzen. Die Erziehung laeuft hier sehr frei und ohne grosse offensichtliche(!) Reglements. Die verborgenen gesellschaftlichen Massnahmen wie Heiratsregeln und dergleichen einmal ausser Acht gelassen. Doch andere Laender andere Sitten.

Zehn Minuten spaeter kam eine Gruppe junger Leute auf dem Gelaende an, die T-Shirts mit der Aufschrift CAMBODIA ORPHAN FUND (www.volunteercof.org). Ich hatte noch nie zuvor von diesem Fund, wie von so vielen Organisationen, die hier existieren, etwas gehoert. Wie ich spaeter erfuhr ist der COF diejenige Institution, die dem COSO die Freiwilligen zur Verfuegung stellt, die mit den Kindern spielen und ihnen Englisch- und Hygieneunterricht geben.
Ich wollte natuerlich mehr wissen ueber diese Organisation und hatte das grosse Glueck, dass die COF Mitglieder jeden Samstag mit den Kindern im gegenueberliegenden Sras Srang (kuenstlicher See im Park) schwimmen gehen. Und an diesem Samstag sollte auch der Direktor und Gruender des CAMBODIAN ORPHAN FUND, Nick Griffin, dabei sein. Als er kam machten wir gleich einen Termin fuer diesen Sonntag Vormittag aus. Den Rest des Samstags verbrachte ich mit den Kindern und den COF-Leuten am See.
Ich kam dort mit einer aelteren Australierin ins Gespraech, die mit ihrer ungefaehr zwanzigjaehrigen Enkeltochter ebenso mit von der Partie war und auf der Suche nach Organisationen ist, denen sie vertrauensvoll ihr Geld geben kann.

Sie sagte: „A lot of people are running social projects just to raise money for themselves.“

Sie bestaerkte mich darin mit Nick zu sprechen, da er ein "good guy" sei und gab mir noch eine weitere Adresse von einer anderen Australierin namens Deborah Groves. Sie sagte ich koenne sie zufaelligerweise dieses Wochenende nachts auf dem Night-Market antreffen, wo sie einen Verkaufsstand betreibt, an dem sie aber nicht immer anzutreffen sei. Doch an diesem Wochenende sei sie dort. Wieder in der Stadt angekommen machte ich mich sodann, als es dunkel wurde, auf den Weg zum Night-Market und ich fand den besagten Stand sehr schnell.

Deborah Groves, eine Australierin, Gründerin und Direktorin des Vereins HELPING HANDS
(Helping people help themselves / www.helpinghandscambodia.com) macht hier eine unglaubliche Arbeit. Sie hat sozusagen zwei Vollzeitjobs, da sie ihren eigenen Lebensunterhalt durch das Verkaufen von Fotopostkarten, Postern und anderem Fotografieverwandtem verdient und gleichzeitig mit den Spenden, die sie aquiriert und die zu 100% in die Projekte fliessen, hier sehr viel leistet. Ihr Motto ist Hilfe zur Selbsthilfe. Das heisst ohne eigenen Beitrag (natürlich nur wenn sie dazu auch fähig sind) bekommen die Menschen nichts. Es geht nicht darum, einfach nur Geld und Geschenke ins Land zu werfen, sondern um Sustainability, Nachhaltigkeit. Es gibt kein Büro, es gibt auch keinen Van oder eine Luxuskarosse die für die Mitarbeiter von den Spendengeldern finanziert werden.
Es sei sehr oft eine sehr sehr anstrengende und zermürbende Aufgabe all das durchzuführen und seine Motivation und den Enthusiasmus nicht zu verlieren, aber es sei nichtsdestotrotz eine sehr belohnende Arbeit. Auf die Frage wie sie denn das Problem mit der Westernisierung in sogenannten „unterentwickelten“ Ländern sieht, meinte sie, dass es natürlich ein Problem sei, welches jedoch die anderen existenzbedrohenden Probleme nicht überwiege. Der Hauptschlüssel liegt für sie in der Ausbildung und Aufklärung der Menschen. Dabei gehe es nicht nur um Schulische Ausbildung, sondern auch ganz essentiell um die Minderung lebensbedrohlichen Unwissens, wie z.B. das Trinken von verschmutztem Wasser. Weiterhin komme man ihrer Meinung nach nicht umhin den Kindern Englisch beizubringen, denn Englisch ist das Tor zur Universität. Allerdings sei es sehr wichtig als ausländischer Helfer oder insgesamt als ausländische Organisation einen tiefen Respekt vor der inländischen Kultur zu wahren, sie zu pflegen und insbesondere in die schulische Ausbildung mit einzugliedern. Sie erzählte mir z.B. von Spendern die den Kindern Bücher über die englische Geschichte schenkten, was natürlich der komplett falsche Weg sei, denn die Kinder sollen ihre eigene Khmer Kultur und Geschichte lernen und eine eigene selbstbewusste Identität entwickeln, die es ihnen ermöglicht unabhängig denken und handeln zu können. Selbständigkeit und Unabhängigkeit sind somit die Hauptziele von HELPING HANDS, einer kleinen Organisation, die klein bleiben möchte um weiterhin effektiv und nachhaltig handeln zu können. Dies soll kein Spendenaufruf sein, aber ich möchte auf jeden Fall sagen, dass jeder Cent dort gut angelegt ist, denn es ist sehr schwer in diesem riesen Wald an NGOs die wirklich hilfreichen zu finden. Und genau das ist auch eines der grössten Probleme mit der Deborah Groves in diesem zunehmends mehr verseuchten Geschäft zu kämpfen hat: „The major problem is getting the trust of donators.“

Heute morgen um zehn traf ich mich mit Nick Griffin in seinem Buero in der Taphul Road in Siem Reap. Auch Deborah Groves sagte mir, dass ich mich mit treffen solle, da er "really good work" macht.
Ich war froh, dass er sich Zeit genommen hat, denn am Sonntag hat auch hier gewoehnlich das meiste geschlossen. Das Buero ist sehr freundlich eingerichtet und man merkt, dass es erst zwei Jahre lang existiert. Sein Spendenkonzept definiert sich durch die selbstaendige Bestimmung der Spender wohin sie ihr Geld geben moechten. Nicht wie in einer grossen Organisation in die man als Spender sein Geld hineinwirft und nicht weiss wohin es genau fliesst, dokumentiert er auf Wunsch alle Aktivitaeten, die mit den Finanzen durchgefuehrt werden. Manche Spender wuerden ihm sogar speziell Geld fuer seine laufenden Kosten zur Verfuegung stellen, d.h. Miete fuer das Buero, Transportkosten etc. Das ist der Grund, dass er selbst auch leben kann, da er kein laufendes Einkommen hat. Sparsames Wirtschaften natuerlich vorausgesetzt.
Griffins grundlegender Ansatz in seiner Stiftung ist der, dass er nicht eigene Projekte aufbaut, sondern einheimische Initiativen, die von Einheimischen Khmer betrieben werden, unterstuetzt. Sowohl durch Finanzen, als auch durch Faehigkeitenvermittlung, Management-Unterstuetzung und dergleichen mehr. Er sagte mir, dass es zwei Typen von Hilfsprojekten gibt: Die einen, die alleine dem Betreiber Geld bringen und die anderen, die wirklich helfen.
Der Ausloeser fuer seinen Beschluss hier etwas zu tun, war die Erkenntnis, dass es in Kambodscha schon eine grosse Anzahl von Projekten gibt, die von Einheimischen betrieben werden, doch sind diese oftmals sehr ineffektiv, da sie nie wirklich gelernt haben zu wirtschaften und eine basisschaffende Planung zu entwickeln. Hier sieht Griffin seine Aufgabe, und zwar die bereits vorhandenen Ressourcen im Land zu nutzen und zu gestalten, um einerseits die Kultur des Landes zu unterstuetzen und aufrecht zu erhalten und gleichzeitig den Menschen die Faehigkeit zu geben sich selbst zu helfen und zu organisieren. Sein Hauptziel welches all seinem Tun hier zugrunde liegt ist das Aufbrechen des Armutskreislaufs. Und der Schluessel dafuer ist seiner Ansicht nach, gleichermassen wie bei Deborah Groves: Education.
Gleichwohl man Bildung nicht definieren koenne auf einen speziellen Punkt und es stets eine Gratwanderung bzw. ein Balanceakt sei zwischen Kenntnisvermittlung und der Wahrung der Kultur sei (wie oben erwaehnt, die Gefahr der Westernisierung).
Wie bei jeder Ein-Mann-Organisation ist es eine sehr zeit- und energieraubende Arbeit, Griffins O-Ton: "It's a tough job, but it's very rewarding! You know, it's like there are two ways of climbing up a hill"- der eine Weg ist ein flacher Weg der dich langsam aber sicher auf die Spitze des Berges fuehrt. Natuerlich musst du auf diesem Weg arbeiten um dein Ziel zu erreichen, doch alles geht auf einer relativ einfachen Art und Weise. Der andere Weg ist der, bei dem man sich muehsam an der felsigen Seite des Huegels in grossen Kraft- und Geduldakten nach oben ziehen muss. Das ist der Weg den er gewaehlt hat und der in seinen Augen der effektivste und nachhaltigste ist, da er weiss, dass die Projekte ohne ihn weiterlaufen wuerden, denn er hat Selbstaendigkeit und Eigenverantwortung geschaffen und vermittelt.
Doch beide Wege fuehren in seinen Augen am Ende zum Ziel.
Auf die Frage wie er das Vertrauen der Spender bekommt, antwortete er kurz und bestimmt:
"They just meet me!"


HELPING HANDS- Helping people help themselvesDeborah Groves in ihrem kleinen Marktstand auf dem Night Market. Ein Energiebuendel.


C.O.S.O und COF

Frontansicht vom C.O.S.O. I - Es gibt auch noch ein C.O.S.O. II, welches ca. 10km ausserhalb der Stadt gebaut wird und nach den Entwuerfen von Nick Griffin wie ein kleines Dorf mit einem gruenen Zentrum errichtet wird. Ein Teil des C.O.S.O. II steht schon und wird von den ersten Kindern bewohnt. Ich war dort, es ist sehr liebevoll gestaltet. In ca. 3 bis 4 Jahren wird es fertiggestellt sein.

Der Unterrichtsraum. Da Wochenende ist, ziemlich unaufgeraeumt.

Die sanitaeren Anlagen. Im Vordergrund ist nur der hier gewoehnliche Sandschlamm zu sehen.

Der einzige Stromgenerator des Zentrums.

Die Kueche... es gibt zwei grosse Toepfe, einen fuer den reis und einen fuer das dazu zubereitete Gemuese oder sonstige Beilagen.

Der Schlafraum, in dem alle Kinder die Nacht verbringen. Es fehlt hier fast an allem, wie Matten, Decken, Moskitonetzen etc.

Jedes Kind teilt sich mit einem anderen ein Schliessfach fuer ihre kleinen Schaetze.


Die Kinder spielen mit dem Springseil, das ich ihnen mitgebracht habe.


Freiwillige des COF


Herumtoben im Wasser. Die Kinder lieben es mit den Erwachsenen zu spielen.


An apple a day keeps the doctor away.


Ryan, ein Kanadier, musste fuer jeden Schabernack herhalten.


Mein Freund Sen und ich :-)


Nick Griffin in seinem Buero in Siem Reap.

Siem Reap 28/09/2008

2008/09/24

I gave blood for a friend

Vorgestern ging ich an einer von vielen Zweigstellen Kambodschas von HANDICAP
INTERNATIONAL vorbei. Eine Organisation, die sich um die Rehabilitation von Kindern und
Jugendlichen kümmert, die durch einen Verkehrsunfall, durch Krankheit, Minenexplosion oder
andere Geschehnisse körperliche Beeinträchtigungen jeglicher Art erfuhren. Es gibt dort ein
Informationscenter von insgesamt ungefähr dreißig Quadratmetern mit Innen- und Außenfläche in dem sehr statistisch geschildert wird, was sie dort genau machen und wie viele Menschen
betroffen sind. Leider beschränkte sich die Informationsweitergabe dort auf Fakten, welche auch
simpel im Internet nachzulesen sind. Auch der Herr am Schreibtisch hatte leider telefonisch einiges zu klären, zumindest sagte er einmal pro Minute etwas in sein Telefon, weshalb ich ihn nicht auch noch mit irgendwelchen Fragen belästigen wollte. HANDICAP INTERNATIONAL ist eine international agierende Organisation mit Sitz in Belgien. Auch hier gilt wohl: Wer sichere Töpfe hat, braucht nicht mehr weiter zu aquirieren. Schade! Jedoch möchte ich hier in keinem Fall die eigentliche Arbeit der Organisation kritisieren, zumal mir hierzu objektive Kenntnisse fehlen, ich aber die von HI durchgeführte vorbeugende Straßenverkehrssicherheitsaufklärung für sehr gut halte. Denn hier ist meiner Meinung nach diesbezüglich vieles im Argen.

Nachdem ich gestern aufgrund von Magenbeschwerden erst Mittags mein Zimmer verließ und in der Stadt etwas gegessen hatte, ging ich zum Angkor Hospital for Children. Ein Kinderkrankenhaus von der Trägerorganisation FRIENDS WITHOUT A BOARDER, welche von einem renommierten (ich glaube) japanischen Fotografen gegründet wurde und nächstes Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Ebenso mit Informationscenter, aber mit dem Unterschied, dass zwei junge Damen am Empfang stehen, die mich sehr freundlich begrüßten. Ich hatte in einem Prospekt gelesen, dass es möglich sei eine Führung durch das Krankenhaus zu bekommen und als ich danach fragte, sagten sie: „The guiding tours were unfortunately stopped.“ Als ich dann etwas resigniert dort durch die Gänge ging, kam mir eine der Damen hinterher und fragte mich ob ich ein Arzt sei. Ich sagte Nein und erklärte ihr, dass ich vor Ort über soziale Projekte in Kambodscha für einen Artikel recherchiere und deshalb gerne auch das Krankenhaus gesehen hätte, welches nach eigenen Angaben das modernste des Landes sei. Sie wurde plötzlich offener und erklärte mir, dass man es eigentlich nicht mehr zulasse, dass Fremde das Innere des Krankenhauses betreten, aber wenn ich tatsächlich bereit wäre über die Einrichtung zu schreiben, würden sie es sich überlegen mir eine Führung zu gewähren. Da ich nun einen Fuß in der Tür hatte, fragte ich sogleich Initiative zeigend ob es denn möglich sei heute noch Blut zu spenden. Sie sagte Ja und fragte ob ich denn genug Zeit hätte. „Sure, I got lots of time!“.
So fand ich mich fünf Minuten später im krankenhauseigenen Labor wieder wo sich die freundliche Empfangsdame von mir verabschiedete und sagte, dass ich nach dem Blutspendedurchgang zurück ins Infocenter kommen solle, von wo aus sie mir eine kleine Führung organisieren würde. Ich nickte zögerlich, wundernd darüber, dass sie noch nicht einmal einen Presseausweis von mir sehen wollte, den ich nicht habe. Nun gut, jetzt saß ich also dort erst einmal, bis nach etwa 10 Minuten eine Krankenschwester mit angespanntem Blick auf mich zu kam (Ich nehme an, dass sie, wie alle anderen dort auch, völlig überarbeitet war) und mir einen Wisch zuschob auf dem ich alle personenbezogenen Daten eintragen sollte. Es war das erste Mal, dass ich Blut spendete, dementsprechend angespannt war auch ich, auch wenn überall die Garantie für saubere Nadeln angepriesen wurde und selbst Bill Clinton einmal medienwirksam zu Besuch war (ich weiß nicht ob er auch Blut gespendet hat). Ich wurde dann in den Blood Donation Room gebracht in dem ich mich auf eine Liege legte und die Prozedur über mich ergehen ließ, währenddessen eine kambodschanische Mutter mit ihren beiden Kindern ebenso in dem etwa neun Quadratmeter großen Raum Platz nahm. Nachdem ich angezapft wurde kam auch eine Krankenschwester, die den beiden kleinen Knirpsen unter verständlich großem Geschrei Blut abnahm. Die Kinder die hier her kommen stammen aus der gesamten Provinz Siem Reap und haben meist schon eine Odyssee von zehn anderen Bezirkskrankenhäusern hinter sich ehe sie im Angkor Hospital for Children ankommen. Viele Kinder sterben hier. Nicht weil das Equipment fehlt, sondern weil es oftmals zu spät ist wenn sie hier ankommen. Wären mehr Krankenhäuser so ausgestattet wie dieses würde die Kindersterblichkeit drastisch abnehmen. Es ist ein kleines Krankenhaus, dennoch werden hier
täglich durchschnittlich 300 Kinder behandelt. Hinzu kommen gesundheitliche Aufklärungsprogramme und Hausbesuche von Ärzten, die selbst in die entlegensten Ecken der
Provinz fahren um vor Ort ärztliche Hilfe, Vor- und Nachsorge zu leisten. Nach der Prozedur wurde mir schwindelig, ich blieb liegen und verließ nach zwanzig Minuten und einer Dose Cola wohlauf das Krankenhaus. Zurück im Infocenter, stand dort eine andere Empfangsdame, der ich mich nicht mit einer Führung aufdrängen wollte und ich mich deshalb mit einer DVD Vorführung zufrieden gab. Danach ruhte ich mich im Hostel einige Zeit aus.

Als ich am späten Nachmittag durch die engen, matschigen Gassen ging, fühlte ich mich als
Europäer oder „Westler“ wie auf einem anderen Planeten. Die Luft riecht anders, der Boden fühlt sich warm und staubig bzw. feucht an und die Menschen, ob Erwachsene oder Kinder blickten mich an, als hätte ich mich verlaufen und würde den Weg zurück auf die Hauptstraße suchen. Als ich in eine vermeintliche Sackgasse geriet, fragte ich eine Gruppe von Frauen die vor einem Haus saßen mit einer Mischung aus Englisch und Handzeichen, ob denn hier der Weg zu Ende sei. Doch eine Frau deutete mir freundlich an, dass man seitlich am Haus vorbeigehen könne und schickte mir ein paar Kinder voraus, die mir den Weg zeigen sollten. Neugierig musterten sie mich und führten mich wieder auf eine größere Gasse, die zurück in die Stadt führte, denn es wurde schon dunkel. Ich traf auf eine Gruppe Rollerfahrer, von denen mich einer auf meine Bitte hin zum Butterflies Garden Restaurant fuhr, welches auf der anderen Seite des Flusses im Wat Bo Viertel liegt. Dort angekommen wurde ich gleich, wie so oft hier üblich, von der Kellnerin empfangen, die mir auch gleich einen Sitzplatz zuwies. Das Butterflies Garden Restaurant ist ein Projekt zur Ausbildung benachteiligter Jugendlicher aus der Provinz Siem Reap im Hotelfachwesen. Ebenso gibt es hier üblicherweise auf der gesamten Restaurantfläche Schmetterlinge in allen Formen und Farben in einer dem Dschungel nachempfundenen Athmosphäre. Leider gab es bei meinem Besuch keine Schmetterlinge zu sehen, was vielleicht an der späten Uhrzeit lag. Die Schmetterlinge werden von Kindern aus einem kleinen Dorf nahe des Angkor Archaeological Parc verkauft, die sich durch diese Einnahmen den Schulbesuch finanzieren. Dort verbrachte ich den Abend und ging, nach dem besten Schokoladenmilchshake den ich je getrunken habe, in Richtung Hostel zurück.

Heute fuhr ich weiter ausserhalb, auf der staubigen Strasse die nach Poipet fuehrt, zum SABGKHEUM CENTRE FOR CHILDREN. Eine Art Mischung aus Waisenheim und SOS Kinderdorf, das heisst die Kinder und Jugendlichen leben hier in Gemeinschaften, je sieben in einem Haus von insgesamt acht Haeusern, getrennt in Maedchen und Jungen. Diese Gemeinschaften sind allerdings nicht wie im SOS Kinderdorf familienaehnlich, sondern die Kinder leben unter sich und organisieren sich groesstenteils selbst. Ich bekam eine sehr freundliche Fuehrung durch den Heimleiter, der mir die einzelnen Institutionen zeigte, wie z.B. die Bibliothek oder den Computerraum. Die Traegerorganisation stammt aus Italien und den Sauberkeit und Schoenheit des Heimes nach zu urteilen, sind auch hier die Toepfe recht zahlreich, aber dennoch gibt man sich Muehe weitere Kontakte zu knuepfen. Es liefen dort auch viele Westler herum, die im Gegensatz zu den Einheimischen nicht sehr freundlich waren. Es war schoen dort, der Heimleiter gab mir seine email Adresse wegen eines anderen Projektes. Ich koenne mich melden wenn ich Interesse daran haette. Er setzt auf Eigeninitiative der Interessenten. Das gefaellt mir!

In den naechsten zwei Tagen gehe ich meinen touristischen Pflichten nach und besuche Angkor Wat und die Floating Villages. Darueber werde ich jedoch nicht berichten, denn es ist schon genug Material im Internet zu finden.

Fazit nach den ersten Tagen: Kambodscha ist ein tolles Land! Hier geht viel voran, es bewegt sich unaufhaltsam und stets mit einer positiven Stimmung und Grundeinstellung.

Handicap International
Selbstgebaute Prothesen der Menschen die im Rehabilitationszentrum von Handicap International in Siem Reap aufgenommen wurden

Angkor Hospital for Children
Hier habe ich Blut gespendet.

Sicht von aussen auf das Krankenhaus. Alles sehr schoen gepflegt. Innen war es leider verboten zu fotografieren, mir ist es zwar gelungen zwei Schnappschuesse von Innen zu machen, doch moechte ich diese hier nicht veroeffentlichen.

Das T-Shirt das jeder Blutspender geschenkt bekommt.

Sangkheum Centre for Children
Khmer-Stunde fuer die dort lebenden Kinder. Es gibt auch ein Outreach-Programm, d.h. Kinder leben bei ihren verbliebenen Familienmitgliedern und werden dort vor Ort betreut.

Die Huetten in denen die Kinder und Jugendlichen leben.

Siem Reap 24/09/2008

2008/09/22

Koenigreich Kambodscha

Kambodscha. Ein fast zehnjaehriger Traum ist in Erfuellung gegangen als ich gestern kurz nach 19 Uhr den Grenzuebergang bei Aranyaprathet-Poipet (der klassische Weg) ueberquerte. Frueher als gedacht, doch ich hielt das verqualmte und stinkende Bangkok nicht mehr aus, ich wollte Ruhe.
Und ich war ein gefundenes Fressen, dass sich blauaeugig fressen liess, geschluckt vom Schlund der Ahnungslosig- und Hilflosigkeit. Doch nun von vorne:
Als ich in den Zug von Chachoengsao nach Aranyaprathat sass, glaubte ich noch nicht wirklich an eine Grenzueberquerung am selben Tag. Zu vieles war mir zu unsicher, da ich nicht mehr viele Baht bei mir hatte (Dollars habe ich ungeschickterweise noch nicht getauscht) um zum einen mein Visum zu bezahlen, geschweige denn ein Tip zu geben.
Also kam ich um ca. 18.30 uhr Ortszeit in Aranya an und wurde natuerlich sofort von einem TukTuk Fahrer aufgefangen, der sofort meine Gedanken lesen konnte und alle meine Beduerfnisse sah, als haette ich sie mir auf mein T-Shirt drucken lassen:
Ich brauche ein Visum und ich will ueber die Grenze.
Die Wahrscheinlichkeit ist nahezu Hundert Prozent, dass ein Tourist dort diese Wuensche hat. So stieg, ausschau haltend nach einer Visa Stelle am Bahnhof, sehr zoegerlich ein, ahnend, dass es fuer thailaendische Verhaeltnisse nicht sehr guenstig sein wird.
Bei der Botschaft angekommen wurde mir das Tor von einem herbeirennenden Sicherheitsmann geoeffnet und die von mir auszufuellenden Formulare von einem seltsam schmatzenden Botschaftsmitarbeiter uebergeben, dessen Englischkenntnisse leider weit unter denen eines einheimischen Reisbauern lagen. Doch es klappte alles, ich durfte mit Euro bezahlen und ich hatte mein Ticket fuer Kambodscha.
Der TukTuk Fahrer wartete draussen schon etwas ungeduldig, daher stieg ich schnell ein und er brachte mich den letzten Kilometer zur Grenze. Dort angekommen fragte ich: "How much?" und rechnete mit ca 100 bis 150 Baht, was schon sehr viel gewesen waere, wenn man bedenkt, dass man in Bangkok fuer 20 bis 40 Baht die dreifache Strecke im TukTuk zurueck legen kann.
Doch was sagte er?!
"400Baht!"
Ich hatte noch 550 B in der Tasche, bezahlte ihn, war somit fast mittellos und wurde in der Kette weitergereicht.
Ich lernte den ersten Kambodschaner meines Lebens kennen. Ein sehr freundlicher Kerl (So wie fast alle hier im Grunde), ungefaehr in meinem Alter und mit dem Job (inklusive Ausweis) des Tourist-Boarder-Guide, also jemand der mir zeigte welche Behoerdengaenge ich zu machen habe und dass ich auf mein Geld aufpassen muesse, da hier jeder um meine Gunst aufwartete.
Als wir also den Weg vom TukTuk zur Passkontrolle liefen fragte er mich allerlei, ich antwortete auf vieles und als wir das taten, kam ein etwa vierjaehriges Maedchen auf mich zugerannt, das sich sofort an meinen Arm haengte mit einem Klang in der Stimme, der unerklaerlich aufruehrend und zugleich hilflos machte. Meine Hilflosigkeit aeusserte sich dadurch, dass ich ploetzlich anfing zu grinsen. Es meisselte sich den Weg ueber so fest in mein Gesicht, dass ich sehr grosse Schwierigkeiten hatte, es am Zolldurchgang abzustellen.
Dieses direkte Gefuehl der Hilflosigkeit und die gleichermassen ungeschminkte Konfrontation mit derselben kannte ich noch nicht in diesem Masse und ich war deshalb umso mehr erstaunt ueber meine Reaktion: Grinsen.
Sei es drum. Nachdem ich nun meinen letzten Stempel von der Aufsichtsbehoerde bekam, war ich nun offiziell nach Kambodscha eingereist. Wie selbstverstaendlich brachte mich der freundliche Kerl zu einem Taxistand, an dem wir etwas abseits auf das fuer mich bestellte Taxi warteten. Abseits deshalb, so mein Guide, da sich sonst die TukTuk Fahrer um mich sammeln wuerden. Als wir dort warteten, sagte ich ihm, dass ich gerne mein Geld in Dollars umtauschen wuerde und ob dies moeglich sei. Er sagte, dass es besser sei in die offizielle Riel Waehrung zu tauschen (was allerdings nach dem was ich bisher gelesen hatte nicht sehr vorteilhaft sei, da der Riel sehr sehr schwach ist und dementsprechend die Scheinanzahl sich in Onkel Dagoberts Geldspeicher verwandeln koenne).
Doch ich glaubte ihm. Ich glaubte ihm, denn ich war hilflos. Ich war hilflos und zugegebenermassen mit der Situation total ueberfordert.

Das Taxi kam. Wir stiegen ein und mein Guide zeigte dem Taxifahrer den Weg zu einer Geldtauschstelle. Kein normaler Mensch wuerde dort Geld tauschen. Ich tat es. Und ich vertraute, weil ich keine Ahnung hatte. Wieviel Riel sind ein Euro? Ich wusste es nicht, bekam zwei Buendel Geldscheine in die Hand gedrueckt, wurde ins Taxi gesteckt und ab ging es nach Siem Reap, die Stadt bei den Angkor Tempeln. Bevor wir losfuhren sagte mir der freundlich Guide, dass es 1500 Baht kosten wuerde mit dem Taxi.
Baht, ich hoerte dieses Wort Baht nicht, ich nahm es einfach nicht wahr, denn ich hatte gerade zwei riesen Buendel Geldscheine in der Tasche, von denen jeder Schein 1000Riel wert war. Ich dachte also, ok, 1500 ist ja dann nicht viel. Dummheit wird zuerst bestraft und Gutglaeubigkeit erst recht, doch dazu spaeter mehr. Nun erst einmal zur Taxifahrt:
Die Strassen sind nicht geteert, sie sind aber auch nicht vergleichbar mit den schlechtesten Feldwegen in Deutschland. Die Landstrassen hier bestehen einzig und allein aus Loechern. Es gibt fast keine Moeglichkeiten auszuweichen und vorrausschauendes Fahren ist vor allem Nachts in No way possible. Auf den Strassen tummelt sich Tag und Nacht alles was laufen oder fahren kann: Kuehe, Hunde, Fussgaenger, Autos mit Licht, Autos ohne Licht, Fahrraeder beleuchtet/unbeleuchtet, LKWs in allen Formen und Farben, Maeuse auf der Motorhaube(!!) und vieles mehr!!
Wer hier faehrt muss tollkuehn sein und gehoert zu den mutigsten, aber auch leichtsinnigsten Menschen dieser Welt!!
Die Realitaet kam schnell, als wir an einem Unfall vorbeifuhren mit mindestens zwei Schwerverletzten. Der Blutlache nach zu urteilen der auf der Strasse liegenden Unfallopfer hoechstwahrscheinlich Tote.
Hier gibt es nichts, keine Versorgung, kein Arzt, keine Erste Hilfe.. Man stirbt so oder so, es wuerde nichts bringen..
Ernuechterung.

Wir hielten zweimal um unsere durch das Schuetteln gefuellten Blasen zu entleeren und kamen nach nahezu drei Stunden Autofahrt kurz vor 22Uhr in Siem Reap an. Mein Taxifahrer brachte mich auch gleich zu einem Hotel und half mir beim Einchecken. Als ich ihn mit zweitausend Riel bezahlen wollte (Was ja wie oben beschrieben so gut wie nichts ist, ahnungslos wie ich bin) kam der Schwindel mit dem Money Change ans Tageslicht. Mit Hilfe des Hotelportiers kam heraus, dass ich nur 30% meines Eurobetrages in Riel wiederbekommen habe. Bei weitem zu wenig um den Taxifahrer zu entlohnen. Doch ich konnte am Geldautomaten das noetige Geld holen um den Taxifahrer zu bezahlen, der genauso hilflos ausgenutzt wurde wie ich.
Ernuechterung II.

Zum Glueck habe ich ich am Money Change Point nicht mein ganzes Geld gelassen sondern nur fuer diese Woche gerechnet, vielleicht doch mit einem mir verbliebenen Fuenkchen Misstrauen im Hinterkopf..
Wir verabschiedeten uns, ich ging auf mein Zimmer, aergerte mich, verbrachte eine schlechte Nacht und weiss nun:
Gutglaeubigkeit wird teuer bestraft!
(Doch lasse ich mein Geld lieber hier als woanders, auch wenn ich weiss, dass es vielleicht in einem Casino in Poipet verspielt wird)

Siem Reap 22/09/2008
Fabian