2008/11/05

Gedankenspirale die nicht auf Richtigkeit pocht

Klar, viele nennen sich Weltverbesserer, sehen sich im Sonderstatus als Heilsbringer fuer die Zukunft und wollen der Gesellschaft zeigen was gut und gerecht ist. Auch wenn es mir widerstrebt muss ich mich wohl oder uebel dazurechnen. Zu den unverbesserlichen Idealisten die seit Jahrhunderten an eine positivere Weltordnung glauben, den Zeigefinger erheben und von sich selbst glauben sie wuerden der Welt etwas Gutes tun. Zu den Menschen, die sich in Ihrer Aussenseiterrolle wohlig warm fuehlen und nicht selten, da aus dem vorherrschenden Gesellschaftssystem herausgefallen, nun im Anti-Sein ihr Selbstbewusstsein und Existenzberechtigung suchen.
Hilfe als Selbstbestaetigung? Scheint jedenfalls ganz gut zu funktionieren, sieht man sich zumindest hier die emanzipierten Blicke der "Westler" an.
Vielleicht ist es nicht wirklich negativ, denn es liegt in der Natur des Menschen, dass er in den seltensten Faellen selbstlos ist. Doch ich gehoere wohl auch dazu, straeube mich jedoch innerlich vehement dagegen.
Doch gehen wir einmal davon aus, dass dieser Sachverhalt nicht negativ ist, aendert doch alles Wirken und "Helfen" nichts am Grossen. Natuerlich stimmt es, dass auch die Unterstuetzung fuer den Einzelnen ein Fortschritt ist, doch ist dieser auch immer nur ein individueller.
Und wenn jemand sagt: Ja, das ist dann zwar nur eine kleine Hilfe fuer eine einzelne Person, aber der Mensch der diese Unterstuetzung bekommen hat, traegt diese Einstellung auch in die ihn umgebende Gesellschaft und ist nur das erste Glied einer langen Kette die ihm nachfolgt. Frei nach dem Motto "Jemand der Bildung und Unabhaengigkeit bekommt und erfaehrt traegt diese bewusst oder unbewusst weiter."
Dem sage ich: Selbst wenn diese Kettentheorie wahr ist, braeuchte es mehrere Jahrzehnte um eine flaechendeckende, angemessene Umverteilung zu erreichen. Dann haben wir aber wieder eine Zeit erreicht in der voellig andere Wirkmechanismen vorherrschen und Gesellschafts- und Machtstrukturen vorhanden sind, die womoeglich das Rad wieder zu ihren Gunsten umdrehen.

Der Grund warum wir uns meiner Meinung nach ueber grundlegende Veraenderungen Gedanken machen sollten, ist ganz einfach der, dass ich persoenlich nicht in einem Land leben moechte, das seinen Wohlstand einer weltweit ungleichen Machtverteilung verdankt, die Millionen Menschen das Leben kostet und einfach nicht notwendig ist.

Ich bin ein ziemlich denkfauler Mensch, daher habe ich einfach keine Lust mir staendig Gedanken ueber mein schlechtes Gewissen machen zu muessen, wenn ich mir bei Aldi den billigen Kaffee kaufe oder bei H&M eine Hose anprobiere. Ich kann es mir schlicht nicht leisten meinen kompletten Einkauf im Reformhaus, Bio- oder Eine-Welt-Laden zu machen.
Setze ich meine rosarote Brille auf, dann moechte ich gerne ein positives Bild von der Wirtschaft haben, ein positives Bild von den Banken, ein positives Bild von der Sozialwirtschaft, ein positives Bild von der Politik, ein positives Bild von Patriotismus, ein positives Bild von Familie, ein positives Bild von Religion,..., ein positives Bild von der Welt.
Also im Grunde ein ausnahmslos Hippie-Sunshine-Bild mit einer Menge Peace und Love inbegriffen und alles was zu einer guten Welt dazugehoert.
Doch bin ich kein Hippie, nie gewesen, auch wenn mir gerade ein paar Haare im Gesicht wachsen und meine Teenie-Zeit, eine Periode lang dem Trend folgend, kommunistisch politisiert war.
Doch soviel nur zum Thema Vorurteil.

Wirkliche Veraenderung kann nur von Innen geschehen.
Einfluss von Aussen macht meist mehr kaputt als er zusammenflickt, wie die alte, als auch wiederholt die juengste Geschichte bewiesen hat.
Die vorwiegende Einstellung "Ich moechte mich aendern, was muessen die anderen dafuer tun" bringt einen einzelnen Menschen nicht ans Ziel.
Das gleiche gilt meiner Meinung nach fuer bestehende Verhaeltnisse. Verhaeltnisse sind allerdings aufgrund ihrer namensgebenden Komplexitaet sehr viel schwerer zu aendern als ein einzelner Mensch. Und das erst recht wenn es um die bestehenden Verhaeltnisse einer ganzen Welt geht.
Dass der Mensch jedoch auch allgemein dazu neigt negative Ereignisse (hier z.B. das Scheitern von Entwicklungsprojekten) fuer seine eigene Bequemlichkeit zu nutzen und sich daher erfolgreiche Projekte garnicht mehr anhoeren moechte, traegt dazu bei, dass alles weiterlaeuft wie bisher. Denn logisch ist ja die Erkenntnis: Die Probleme und die Welt sind ja so gross, dagegen kann ich ja als einziger nichts anrichten. Da muss schon etwas Grosses passieren, dass sich da etwas aendert.
Und dieses Grosse ist einfach so riesig und unvorstellbar, dass eine Veraenderung einfach komplett verneint und als unmoeglich abgestempelt wird.
Doch Tatsache ist (ich sage es einmal pathetisch), dass es in diesem Universum nichts Unmoegliches gibt. Nur Dinge die ausserhalb des menschlichen Begreifens liegen. Und da dieses Grosse so weit ausserhalb vom Menschen liegt, sehe ich nur eine Veraenderungsmoeglichkeit im Kleinen, die fuer die Verstands- und Gefuehlswelt des Menschen greifbar und verstehbar ist:

Die eigene Familie.

Und zwar ein Familienverstaendnis, dass sich nicht auf eine kleine umzaeunte und isolierte familiaere Gemeinschaft stuetzt, sondern viel weiter greift. Hinein in ein Weltverstaendnis, das im Menschen selbst eine Einstellung verwurzelt, die Ungleichbehandlung nicht nur im naechsten Umfeld, sondern auch in Umgebungen verabscheut in denen er kein direkter Teil ist, aber mit denen er dennoch auf platonische Art emotional verbunden ist.
Denn einer der Hauptgruende fuer das fehlende Interesse am Wohlergehen anderer ist meiner Meinung nach, die fehlende emotionale Verbindung. Meist ist das Hoechste ein midleidvoller Blick bei dramatisch inszenierten Fernsehbildern aus Hilfsgebieten.

Kurz gesagt:

Wo kein Bewusstsein, da keine Erkenntnis. Wo keine Emotion, da keine Veraenderung.

Natuerlich gibt es viele, die sich mit solchen Themen und Fragen beschaeftigen. Es gibt Buecher, Websites, Filme, Studiengaenge u.a. (Wer moechte dem kann ich gerne ein paar Quellentipps geben), doch sind diese meist nur fuer Fach-, Sach-, und vor allem Machtpublikum.

Ideen sind da. Ueberall. Und Loesungen, die keine Loesungen sind loesen sich oft auf um neu zu entstehen. Ein Kreislauf der Durchbrochen werden muss. Vielleicht waere es auch viel leichter und effektiver den Kreislauf des Reichtums zu durchbrechen, als den Kreislauf der Armut.


Kampot 05/11/2008

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hey Fabi,

das ist wirklich ein sehr interessanter Beitrag. Grundsätzlich stimme ich deinen Überlegungen voll und ganz zu. Allerdings verstehe ich nicht so ganz, was du mit "Familie" meinst bzw. wie meine Familie wachsen kann (falls ich den Begriff richtig deute).

"Denn einer der Hauptgruende fuer das fehlende Interesse am Wohlergehen anderer ist meiner Meinung nach, die fehlende emotionale Verbindung."

Da gebe ich dir völlig Recht, denn mir geht es da genau so. Meiner Meinung nach entsteht diese emotionale Bindung am besten, wenn man sich direkt in ein Feld begibt - und zwar nicht nur theoretisch, sondern vor allem praktisch, also genau so, wie du es gerade tust.

Welche Möglichkeiten des "Familienwachstums" siehst du außerdem?

Liebe Grüße
Carsten

Anonym hat gesagt…

Hey Carsten,

schön, dass Du Dich meldest!
Ich sehe einfach ein Problem in der sehr frühen Begrenzung von emotionalen Denkstrukturen. Kinder wachsen so auf und werden so erzogen, dass sie darauf achten sollen, dass ihnen niemand etwas wegnimmt. In ihren Köpfen bilden sich sehr schnell enge Grenzen und Angst etwas falsch zu machen, wenn sie jemand anderem mit Offenheit gegenübertreten. Denn derjenige könnte ja etwas böses im Sinn haben oder mir etwas wegnehmen.
Das heisst dass das Vertrauen und das Interesse eines Menschen sich nur auf Menschen aus der eigenen Familie oder dem engen Freundeskreis ausrichtet. Und das was ausserhalb liegt, vielleicht sogar in einem anderen Land bleibt ohne Bedeutung.
Und das schon von Kindheit zum Gegenteil hin zu beeinflussen, könnte meiner Meinung nach zu einem größeren Bewusstsein für globale Misstände und vor allem Veränderungsbereitschaft und daraus folgend wirklichem Veränderungshandeln führen.
Wenn man rein von den Erwartungen an den neuen US Präsidenten ausgeht, wäre vielleicht die Idealvorstellung lauter kleine Obamas zu erziehen?!?!?
Ich weiss, das ist sehr extrem gesagt, aber glaubt man der Presse ist er ja der Prototyp von interkultureller Diplomatie und Rücksichtnahme, der versucht gemeinsam und nicht ala Bush alleine Lösungen zu finden.

Fabian

Anonym hat gesagt…

Suasdeii Fabian,

wenn ich Habermas damals richtig verstanden habe, hatte er ähnliche Denkansätze wie du. Auch sein "Weltverbesserungsvorgschläge" begannen in der Familie, und das sich dort die "Obrigkeitsstrukturen" ändern müßten. Laut Habermas sollten sich die Menschen so begegnen wie sie glauben, daß der andere Mensch behandelt werden möchte. Und dadurch, daß das jeder so macht, würde es keine "Ungerechtigkeit" zu "eigenen Gunsten" mir geben.
Doch sehe ich da das Problem,, woher ich wirklich wissen soll, was der andere Mensch gerade möchte - ich denke zwar, daß ich ein sehr einfühlsamer und emotionaler Mensch bin, aber ich kann dennoch nicht von mir behaupten hell sehen zu können.
Naja vielleicht habe ich die Theorie auch falsch aus dem Kopf gekramt. (Mußte mal einen Vortrag zur Frankfurter Schule halten, der um etliches zu lang geworden ist...)

Wie dem auch sei. Ich glaube mir müssen den "inneren Egoismus" überwinden. Dinge zu Tun, weil sie uns nützen, oder irgendwann mal vielleicht was nützen könnten.
Aber dieser komische "innere Egoismus" scheint mit dem Selbsterhaltungstrieb gekoppelt zu sein.

Oh man ich werde zu philosophisch, sollte lieber aufhören "Kreisgedanken" zu erzeugen.

Kann Deine Gedanken vollkommen nachvollziehen. Und weis, daß man immer wieder in innere Sackgassen kommt...

Lass es Dir gut gehen und glaube auch ein wenig Deinem Bauch/Herz...

"Das Herz hat seine Gründe, von denen die Vernunft nichts weis." - Blaise Pascal


Nicole

Anonym hat gesagt…

Hallo Nicole,

ja auch sämtliche Weltreligionen haben den sinngemässen Satz "Was du nicht willst das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!" in ihren heiligen Büchern stehen.
Auch wenn sich selbst deren Anhänger oftmals nicht daran halten..

Naja,
auf jeden Fall kann ich Dir sonst voll und ganz zustimmen, nur leider denkt der Bauch auch viel zu häufig ;-)

Gruß
Fabian

Anonym hat gesagt…

Hey Fabi,

danke für deine Erklärung. Ich habe dich jetzt besser verstanden. Grundsätzlich finde ich deinen Ansatz gut, aber sehr schwer umzusetzen. Das fängt schon damit an, dass man sich nie in ALLEN Kulturen und Bevölkerungsschichten auskennen kann, worauf hin man sich selbst ein Bild "zusammenreimt". Dieses Bild - ob es nun richtig oder falsch ist - hat man dann im Kopf. Und wie das beim ersten Eindruck nun mal so ist, bleibt der auch erst mal eine ganze Weile bestehen, auch wenn er falsch ist. Deshalb finde ich das mit der Offenheit schwierig umzusetzen, denn den ersten Eindruck von einem Menschen hat man einfach. Dann kommt noch der Halo-Effekt dazu, d.h. dass man auf Grund einer Eigenschaft oder einer Äußerlichkeit einem Menschen weitere Eigenschaften zuschreibt, die zwar ins Bild passen, aber natürlich nicht stimmen müssen.
Man könnte höchstens Kinder so erziehen, dass man ihnen nicht von vorn herein irgendwelche Klischees vermittelt, sondern sie ihre eigene Meinung bilden lässt. Das finde ich aber auch sehr schwierig, da Kinder ja nicht nur Einflüsse aus dem Elternhaus bekommen, sondern auch aus der Gesellschaft, Bildungseinrichtungen, Freunde u.s.w

Nicole hat meiner Meinung nach auch völlig Recht, wenn sie sagt, dass ich nicht wissen kann, wie mein Gegenüber gerade behandelt werden möchte. Niemand kann in einen anderen Menschen hinein sehen. Auch wenn ich denke, ich weiß auf Grund einer bestimmten Verhaltensweise, wie sich mein Gegenüber gerade fühlt und wie er deshalb behandelt werden möchte, kann ich damit auch völlig daneben liegen (wie gesagt, Halo-Effekt).

Gruß
Carsten

Anonym hat gesagt…

Tach, Du Weltenbummler!
Also generell kann man klar die Kontroverse beginnen "ist helfen nicht purer Egoismus" - so auf die Art "ich helfe um mein Ego zu pushen/mein schlechtes Gewissen zu beruhigen/dass ich sehe wie mich andere anhimmeln" -- aber man kann auch einfach die positive Seite dran sehen. Und selbst wenn das einzig positive dran wäre(!) dass DU Dich gut fühlst bei dem Versuch zu helfen, so wäre doch zumindest sicher EINEM Menschen dadurch geholfen. Und solange dadurch nicht großartig einem anderen Menschen geschadet wird ist das absolut legitim und unterstützenswert :)
Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Problemen. Probleme sind wiederum etwas was uns Schmerzen (phys./psych.) bereitet. Probleme zu bekämpfen anstatt sie auszusitzen, zu ignorieren, auf wundersame Selbstslösung dieser hoffen,.. ist auf jeden Fall gut.
Es gibt immer mehr als eine Wahrheit - "expect more than one truth" ;) :)
Gruß aus dem sicheren Deutschland
Ekki/Tschimmi

Elsa Rieger hat gesagt…

Lieber Fabian,

Vielen Dank für diesen umfassenden Bericht, in dem auch deine persönlichen Gedanken berühren und nicht fehlen dürften.

Herzliche Grüße
ELsa

Anonym hat gesagt…

@Tschimmi: Ja versteh ich sehr gut, kann ich nachvollziehen und akzeptiere es usw.
Doch ein vertaeumter Idealismus kombiniert mit dem Wunsch nach Perfektionismus ist etwas das mich verfolgt und durch solche Achterbahnfahrten von Lebensansichten fuehrt..

Ein Problem ist aber auch hier wieder, dass blinde Hilfe sehr leicht fehlschlagen kann und zu garnichts fuehrt, vielleicht sogar die Dinge noch verschlechtert. Und wenn man mit Menschen arbeitet, bzw. die Absicht hat ihnen zu "helfen", dann hat man eine grosse Verantwortung mit der man nicht jonglieren sollte, sondern stattdessen ein dickes Betonfundament fuer diese Verantwortung setzen sollte.

Es geht ja dabei nicht um irgendwelche Dinge, sondern um Menschen (ohne das jetzt zu pathetisch wirken lassen zu wollen, aber man kann es glaube ich nicht anders formulieren).

Gruss
Fabian